Rezension

Wie man richtig gute Fantasy schreibt… Jahreshighlight!

Wie man einen Prinzen tötet -

Wie man einen Prinzen tötet
von T. Kingfisher

~ Meine Erwartungen an „Wie man einen Prinzen tötet“ waren unverschämt hoch, zum Glück hat das Buch dann aber auch abgeliefert – und wie! Von der märchenhaften Erzählweise über die liebevolle Figurenzeichnung, die starken Frauenrollen und den Humor bis hin zum kreativen Worldbuilding konnte mich dieser erfrischende Fantasy-Roman auf ganzer Linie überzeugen und mit seinen unerwarteten Wendungen immer wieder überraschen. SO geht gute Fantasy! Bitte mehr davon! Und an euch: Unbedingt lesen! ~

Inhalt

Eine Prinzessin will ihre Schwester vor einem gewalttätigen Prinzen (ihrem Ehemann) retten, indem sie ihn tötet. Werden Marra und ihre nur mittelmäßig kompetente Reisegruppe ihr Ziel gemeinsam erreichen?

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählweise: Figurale Erzählweise, Präteritum
Perspektive: weibliche Perspektive
Kapitellänge: mittel bis lang

Inhaltswarnung: Tod von Menschen, Gewalt gegen Frauen, Gewalt, Blut, Krankheit, Geburt
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: ---

Diese Geschichte solltest du lesen, wenn dir folgende Themen/Dinge in Büchern gut gefallen (dieser Abschnitt ist inspiriert von @sassthxtic auf Lovelybooks):

- Found Family (dt. Wahlfamilie) / bunte Reisetruppe
- lange Reise
- düstere Fantasy
- Märchen
- untypische Prinzessin als Heldin
- Rettungsmission
- David-gegen-Goliath-Story
- Slow-Burn-Liebesgeschichte
- Unvorhersehbarkeit

 

Meine Rezension

„[…] und ihr wurde klar, dass sie noch nie zuvor gehasst hatte. DAS musste dieses neue Gefühl sein. Es nahm so viel Platz in ihrer Brust ein, dass sie nicht wusste, ob sie noch um es herum atmen konnte.“ Seite 80

Als ich das deutsche Cover und den coolen Titel gesehen habe (eines der wenigen Male, bei denen der übersetzte Titel besser ist als der des Originals), habe ich mich sofort in dieses Buch verliebt! Die positiven Rezensionen auf Bookstagram und die Tatsache, dass die Protagonistin schon 30 Jahre alt ist (endlich mal keine Jugendprobleme!) haben den Rest erledigt. Ich MUSSTE es lesen – und zwar am besten sofort. Die Erwartungen waren also wieder einmal unverschämt hoch, das konnte ja nur schiefgehen – oder?

Lasst und gleich am Anfang die wichtigste Frage klären: Ist das Buch so gut wie erhofft? JA! Seit „Bird Box“ im Jänner hatte ich leider kein einziges Jahreshighlight mehr, nur mittelmäßige bis gute Bücher – doch nun scheint der „Fluch“ endlich gebrochen! Denn „Wie man einen Prinzen tötet“ konnte mich auf ganzer Linie überzeugen.

„Als junges Mädchen hätte sie das wohl nicht verstanden, doch Marra war nicht mehr das Mädchen von früher. Sie war dreißig Jahre alt, und alles, was von jenem Mädchen übrig geblieben war, waren die Knochen.“ Seite 13

Schon die ersten Seiten voller Eiter-Metaphern, Verwesung und Kannibalismus, in denen eine unglaublich düstere Welt beschrieben wird, haben mein Leserinnen-Herz höher schlagen lassen! T. Kingfisher schreibt sehr angenehm, nuanciert (besonders, wenn es um Gefühle geht), anschaulich, aber nicht zu ausufernd, und an manchen Stellen echt zum Niederknien schön! Die Dialoge wirken zudem lebendig und fühlen sich sehr natürlich und authentisch an. Außerdem wird man als Leserin immer wieder mit kreativen Ideen und neuartigen Wesen überrascht, sodass einem nie langweilig wird und es großen Spaß macht, die magische Welt dieses „Anti-Märchens“ zu entdecken. Tatsächlich spielt T. Kingfisher nämlich immer wieder mit typischen Märchentropen – nur um diese dann im nächsten Satz zu brechen oder ins Gegenteil zu verkehren. Das mochte ich sehr!

„Beobachte einen Mörder, der durch die Welt geht, und du wirst sehen, wie all seine Opfer an schwarzen Schnüren hinter ihm herlaufen, wie Geister, die auf ihre Chance warten.“ Seite 110

So steht im Mittelpunkt der Geschichte auch keine Prinzessin der Kategorie „Jungfrau in Nöten“, sondern eine Adelstochter, die sich aufmacht, um – allen Widrigkeiten zum Trotz – ihre Schwester aus den Fängen ihres gewalttätigen Ehemannes, dem titelgebenden Prinzen, zu retten. Schnell steht fest: Der Prinz muss sterben! Aber wie? Begleitet wird sie hierbei von einer leicht inkompetenten, aber unglaublich charmanten, bunten Reisetruppe – ihrer neuen „Found Family“. Man fühlt und fiebert mit und fliegt nur so durchs Buch, weil man unbedingt wissen will, wie diese gänzlich unvorhersehbare, wendungsreiche „Quest“ am Ende aus- und wie es den liebgewonnenen Figuren (neben Marra habe ich vor allem Agnes, das Küken und den Knochenhund echt ins ♥ geschlossen) am Ende ergeht. Deshalb war „Wie man einen Prinzen tötet“ für mich auch ein absoluter Wohlfühlroman, zu dem ich nach einem anstrengenden Tag immer gerne zurückgekehrt bin.

„WENN WIR MÄNNER WÄREN… […] Sie waren keine, und die Geschichte der Welt wurde in den Bäuchen von Frauen und mit ihrem Blut geschrieben, und niemals würde ihr erlaubt werden, etwas daran zu ändern.“ Seite 92

Zwischendurch wird die scheinbar zum Scheitern verurteilte Mission immer wieder durch humorvolle Passagen aufgelockert, die mich das eine oder andere Mal zum Schmunzeln gebracht haben. Auch aus feministischer Sicht gibt es hier ganz und gar nichts auszusetzen, da wir im Buch auf viele starke, intelligente, mächtige Frauen treffen und schwierige Themen wie die Unterdrückung von Frauen, ihre Abhängigkeit von ihren Ehemännern und Gewalt gegen Frauen angesprochen und kritisiert werden. Die sanftmütige Marra (aber auch die anderen Figuren) bricht immer wieder Geschlechterstereotype, zum Beispiel, indem sie gleich auf den ersten Seiten klarstellt, dass SIE keinen Prinzen haben wolle (nein, sie nicht!), und zeigt, wie wenig sie mit neugeborenen Babys anfangen kann. Als Frau ohne Kinderwunsch konnte ich mich deshalb sehr gut mit ihr identifizieren und fand ihre Ansichten sehr erfrischend!

Große Kritikpunkte habe ich glücklicherweise nicht, einen gibt es aber schon (mehr als einen halben Stern kann und will ich aber dafür nicht abziehen): beim Erzähltempo ist noch etwas Luft nach oben. In manchen Momenten schritt mir die Handlung zu schnell voran, hier hätte ich mir gewünscht, dass nicht so viel übersprungen wird bzw. manche Szenen genauer auserzählt worden wären. In anderen Momenten hingegen (vor allem im zweiten Viertel) hätte ich mir wiederum etwas mehr Tempo und Spannung gewünscht. Außerdem hätte ich gerne noch mehr über die eitrige Welt der ersten Kapitel erfahren – schade, dass sie nur so kurz zum Schauplatz gemacht wurde. Vielleicht ist das ja dann Stoff für ein anderes Buch – ich würde mich jedenfalls freuen. Die letzte Geschichte von T. Kingfisher wird es für mich nämlich definitiv nicht bleiben!

 

Mein Fazit

Meine Erwartungen an „Wie man einen Prinzen tötet“ waren unverschämt hoch, zum Glück hat das Buch dann aber auch abgeliefert – und wie! Von der märchenhaften Erzählweise über die liebevolle Figurenzeichnung, die starken Frauenrollen und den Humor bis hin zum kreativen Worldbuilding konnte mich dieser erfrischende Fantasy-Roman auf ganzer Linie überzeugen und mit seinen unerwarteten Wendungen immer wieder überraschen. SO geht gute Fantasy! Bitte mehr davon! Und an euch: Unbedingt lesen!   

 

Bewertung

Cover / Aufmachung: 5 Sterne ♥
Idee: 5 Sterne ♥
Inhalt, Themen, Botschaft: 5 Sterne ♥
Umsetzung: 4,5 Sterne
Worldbuilding: 4 Sterne
Einstieg: 5 Sterne ♥
Ende: 5 Sterne ♥
Schreibstil: 5 Sterne ♥
Humor: 5 Sterne ♥
Protagonistin: 5 Sterne ♥
Figuren: 5 Sterne ♥
Spannung: 4 Sterne
Tempo: 3 Sterne
Wendungen: 5 Sterne ♥
Atmosphäre: 5 Sterne
Emotionale Involviertheit: 5 Sterne ♥
Feministischer Blickwinkel: 5 Sterne ♥
Einzigartigkeit: 5 Sterne ♥

Insgesamt:

❀❀❀❀,5 Sterne

Dieses Buch bekommt von mir viereinhalb begeisterte Sterne!