Rezension

Wundervoll, hart, humorvoll, poetisch

Serienunikat
von Chantal-Fleur Sandjon

Bewertet mit 4 Sternen

Inhalt

Die 21-jährige Ann-Sophie, auch Ann d’Arc genannt, hat die Schnauze voll..von dem engen Leben, dass ihre Eltern sich für sie ausgedacht haben, von Pharma, von Erwartungen und Druck. Sie hat keine Lust, eine Zukunft, die eine Kopie des Lebens ihrer Eltern ist, zu Leben und versucht kurzerhand in der Großstadt Berlin ihr Glück zu finden. Zwar schreibt sie sich doch für Pharma ein, durch ein Leben in Berlin will sie dennoch Flüge werden. Wir begleiten Sie auf dem Weg, ihre Flügel zu finden und bei dem Versuch, herauszufinden, was sie eigentlich will.

„Wir sind 100.000 Unikate – in Serie.“ (S. 205)

Meinung

Schreibstil

Schreibstil:

Chantal-Fleur schreibt wundervoll. Poetisch und zugleich, locker, leicht mit einer Prise Humor. Die Geschichte ist aus Ann-Shopies Sicht erzählt und steigt direkt ein. Sehr schnell habe ich mich in die Geschichte eingefunden. Stellenweise habe ich mich in ihr wieder erkannt und Ann d’Arc in mein Herz geschlossen. Raffiniert fand ich die Einleitungen eines jeden Kapitels, Facebookstatus-Meldungen von ihr oder Freunden, eben ganz der Generation Y entsprechend.

„Ich war kein gutes Beispiel für die Evolutionstheorie und je näher ich der Wohnung im vierten Stock kam, desto aufgeregter wurde ich.: (S. 10)

Charaktere

Ann-Sophie ist tollpatschig und liebenswert. Sie ist schüchtern und will bloß nicht im Mittelpunkt stehen, denn das ist ihr peinlich und bereitet ihr Herzrasen. Ich konnte sie sofort liebgewinnen und habe mich oft in ihr wiedergefunden. Auf ihrer Suche nach sich selbst macht sie einiges durch. Manches fand ich super, bei anderen Dingen hätte ich sie am liebsten angeschrien und sie wachgerüttelt. Ich habe mit ihr gemeinsam alle Höhe- und Tiefpunkte erlebt und mich mit ihr auf die Suche nach der Zukunft in Berlin gemacht.

„[…] nur meine eigenen Fragen im Kopf, die Widersprüchlichkeit von dem, was ich sagte, dem, was ich fühlte, dem, was ich war, und dem, was ich sein wollte.“ (S. 36)

Ihre Eltern und ihr Freund waren mir von Anfang an unsympathisch. Alle drei versuchen ihr eine vorgefertigte Zukunft aufzuzwingen und ihr immer wieder einzureden, Berlin ist doch nichts, sie soll lieber wieder zurück nach Nussloch kommen. Ihre beste Freundin Zaza, die sie noch aus Schulzeiten kennt, ist schon längst nach Berlin abgehauen und gewährt Ann-Sophie Zuflucht. Bei Zaza war ich geteilter Meinung. Eigentlich war sie nett und auch immer für Ann-Sophie da, andererseits fand ich es nicht gut, wie wenig sie ihr Leben unter Kontrolle zu haben schien.

In Berlin zieht Ann-Sophie mit drei einzigartigen Charakteren zusammen. Einer schrulliger und verkorkster als der andere und doch alle auf ihre Art und Weise liebenswert und sympathisch. Stephan, der mitten in seiner Abschlussarbeit steckt, am liebsten nur durcharbeitet, Partys so gut wies geht meiden möchte, sich aber anderweitig wachhält. Catchy, eine durchgeknallte und überdrehte Fashionista, die aber von Beginn an immer da ist, wenn Ann-Sophie sie braucht. Und Monk, Aktivist, vegan, Öko. Er bietet Ann-Sophie immer Zuflucht und Umarmungen. Alle drei helfen ihr, sich selbst zu finden und holen sie auch aus den tiefen Löchern, in die sie dabei fällt wieder heraus. Wer solche WG-Mitbewohner findet, hat zwar viel zu ertragen aber auch verdammt viel gewonnen und großes Glück.

Geschichte

Das Buch beschreibt die typische Generation Y. Junge Menschen, Anfang zwanzig, mit Mittelstandseltern, die ausziehen, sich ihr Studium finanzieren lassen und dabei sich selbst finden wollen. In einer Großstadt wie Berlin, zwischen Armut und Reichtum, zwischen Hipstern, Businessmenschen und Drogenabhängigen im Zeitalter von Twitter und Facebook. Ann-Sophie ist symbolträchtig für viele nach Berlin Geflüchtete, die ihr Glück und ihre Flügel finden wollen und dabei nicht immer nur gute Erfahrungen machen. Das Buch war so real und authentisch, die Geschichte wunderbar umgesetzt, hart und brutal, wunderbar und verzaubernd. Vor Themen wie Drogen und Alkohol wurde kein Halt gemacht. Dabei schreibt Chantal-Fleur aber ohne jegliche Vorurteile und ermahnt nicht. Sie beschreibt einfach nur das Leben von Ann-Sophie und das Leben in einer so multikulturellen und vielschichtigen Stadt. Ganz unverblümt, ohne Verschönungen, ohne Verharmlosungen, ohne Übertreibung. Dabei schafft sie es uns immer wieder aufzumuntern, zum Lachen, aber auch zum Nachdenken zu bringen.

Ann-Sophie weiß nicht recht, wie sie die Suche nach sich selbst angehen soll und droht schon zu Beginn zu verlieren. Bis sie die Liste bekommt. Auszug aus der Liste:

Beweise, dass du es kannst
Umarme einen Baum
Hungere nach Leben
Sei du selbst
Lass dir Flügel wachsen
Schmecke den Regenbogen

Die Liste um sich auf den Weg zu sich selbst zu machen. Beim abarbeiten der einzelnen mal mehr, mal weniger sinnvoll erscheinenden Punkte, erlebt sie viel Gutes, aber auch viel Schlechtes, verliert und findet Freunde, trifft kluge und dumme Entscheidungen. Das wichtigste jedoch, sie glaubt an sich und gibt nicht auf und macht so auch Mut.

„Wenn der Weg das Ziel ist, wünsche ich uns Pflastersteine aus Poesie. Und Schönheit, die uns hinter jeder Straßenecke entgegenfunkelt.“ (S. 315)

Fazit

Beim Lesen fing ich immer wieder an nachzudenken, ob ich nicht auch mehr hätte haben können, ob ich mich denn überhaupt schon wirklich gefunden habe oder ob ich auch eine Liste bräuchte, um ein stückweit mich selber finden zu können. Das Buch war locker, leicht, hart und brutal, voll Farbe und Grau, mit Liebe und Humor. Ich war von Beginn an verliebt in dieses Buch, von der Idee sich selbst in Berlin zu finden und das mit Hilfe einer mehr oder weniger sinnvoll erscheinenden Liste. Gegen Ende war ich mit der Entwicklung von Sophie teilweise nicht ganz zufrieden, auch wenn es vermutlich so richtig war, konnte dann aber wieder super zu ihr zurückfinden. Deswegen gibt es liebevolle vier Herzen und eine eindeutige Weiterempfehlung.