Rezension

"Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten" (Gustav Mahler)

Der Frauenchor von Chilbury - Jennifer Ryan

Der Frauenchor von Chilbury
von Jennifer Ryan

Bewertet mit 5 Sternen

~1940 Kent/England. Da immer mehr Männer für den Kriegsdienst eingezogen werden, müssen sich die Frauen allein um alles kümmern. Als der örtliche Pfarrer der Gemeinde Chilbury den Chor auflösen will, hat er allerdings nicht mit den Frauen gerechnet, die sich das nicht bieten lassen wollen. Schließlich sind sie auch Teil der Gemeinde und der Chor bietet ihnen Abwechslung und Freude vom tristen Alltag. Ihre Rettung erscheint in der Musikprofessorin Primrose Trent, die aus London in Chilbury unterkommt. Sie nimmt sich den Frauen an und gründet mit ihnen einen reinen Frauenchor. Erst sind die Frauen skeptisch, doch Primrose steckt sie mit ihrer Leidenschaft für Musik an und erreicht sie in ihren Herzen. Der Chor wächst immer mehr zusammen und die Frauen gewinnen an Selbstbewusstsein und Stärke, die ihnen durch die Kriegszeiten helfen soll.

Jennifer Ryan hat mit ihrem Buch “Der Frauenchor von Chilbury” einen sehr eindrucksvollen Debütroman vorgelegt. Der Schreibstil ist flüssig und lebhaft, er lässt auch den Humor nicht vermissen und nimmt den Leser sehr schnell für sich ein. Durch das Wählen von Briefen und Tagebuchaufzeichnungen für die Erzählung der Handlung gibt die Autorin, basierend auf den Erzählungen der eigenen Großmutter, dem Leser einen wunderbaren Rundumblick, was in den Herzen und Gedanken der einzelnen Dorfbewohner vor sich geht und wie sie sich entwickeln. Man erfährt viele kleine Alltagsepisoden, die spannend berichtet werden und die Handlung immer weiter voran treiben sowie den Spannungsbogen immer mehr in die Höhe schnellen lassen. Über die verschiedenen Einträge, die sich nahtlos aneinander reihen, erfährt man so von 5 Protagonisten über die damalige Zeit und welche Faszination die Musik auf sie selbst und ihr eigenes Leben ausgeübt haben.

Die Charaktere sind sehr schön ausgearbeitet und in Szene gesetzt worden. Sie spiegeln den damaligen Zeitgeist wieder sowie die gesellschaftlichen Ansichten und Normen. Der Leser erlebt die Sorgen und Nöte der einzelnen Personen hautnah mit und lernt sie von Grund auf durch ihre eigenen Worte kennen. Sie wirken alle sehr lebendig und authentisch. Primrose Trent liebt die Musik über alles und versucht mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln, jeden davon zu überzeugen, dass Musik viel bewirken kann. Man könnte fast sagen, es ist ihr eine Herzensangelegenheit. Sie strandet in Chilbury und ist erst einmal eine Fremde. Doch nach und nach gelingt es ihr, zu den Bewohnerinnen durchzudringen und sie von ihrer Idee zu überzeugen. Margret Tilling hat ihren Mann im Krieg verloren und steht allein im Leben. Sie lebt eher zurückgezogen und man hat fast den Eindruck, sie macht sich unsichtbar. Doch durch ihre Mitwirkung im Chor und die Kraft der Musik erlebt sie eine regelrechte Wandlung. Sie entwickelt neues Selbstvertrauen und gibt diesem auch eine Stimme. Die 13-.jährige Kitty muss in ihrem zarten Alter dem Krieg begegnen. Sie erlebt einiges und berichtet in ihrer kindlich-naiven Art, was sie bewegt. Kittys ältere Schwester Venetia ist ebenso ein interessanter Charakter, der nach einiger Zeit das Leserherz erobert. Wirkt sie zu Beginn noch egoistisch und durchtrieben, so verändert sie sich durch Schicksalsschläge immer mehr und erobert einen mit sympathischem Wesen und einer sehr menschlichen Seite.

“Die Frauen von Chilbury” ist ein wunderbarer historischer Roman über die Macht der Musik, über das Übersichhinauswachsen, neugewonnenes Selbstvertrauen und den Mut, Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Ein wunderbares Debüt, das eine absolute Leseempfehlung mehr als verdient hat!