Rezension

Das Leben aus der Sicht eines Schizophrenen

Nachruf auf den Mond - Nathan Filer

Nachruf auf den Mond
von Nathan Filer

Bewertet mit 5 Sternen

Matt Homes ist ein junger Mann, der seine Geschichte erzählt. Soweit, so normal - doch Matt ist nicht irgendein junger Mann. Sein großer Bruder Simon starb bei einem Unfall, als er noch ein Kind war, doch Matt gibt sich die Schuld an seinem Tod und wird darüber schizophren. Ob es dazu schon vorher eine Veranlagung gab, kann niemand beurteilen - seine Eltern fänden es einfacher, wenn es so wäre, aber auch dann wäre es fraglich, ob gerade seine Mutter so wirklich mit ihm als dem Übriggebliebenen ihrer beiden Söhne umgehen könnte. Matt erzählt seine Geschichte, während er an einem Computer in einer Tagesklinik sitzt. Er schweift ab, weil ihm eine Mit-Patientin lange über die Schulter starrt, er verliert den Faden, wenn er von einem Pfleger unterbrochen wird. Er erzählt deshalb auch nicht alles immer in der richtigen Reihenfolge, weil es darauf auch manchmal nur bedingt ankommt, sondern manchmal Episoden im Vordergrund stehen, die jetzt gerade wichtig sind. Er erzählt Episoden von vor ein paar Tagen oder Wochen und wie damals alles kam. Dabei beginnt er bei dem Auslöser, dem Tod seines Bruders, um dann in die Gegenwart zu springen. Man versteht ziemlich schnell, in welcher Zeit man gerade ist. Untermalt wird das ganze von Skizzen, die Matt anfertigt. Er ist ein künstlerisch sehr begabter Mensch und schreibt nicht nur, sondern zeichnet auch seine Mitmenschen, aber viel mehr noch Begebenheiten und Menschen aus seiner Familie und seiner Vergangenheit.

Für Matt stellt dieses Buch eine Form der Vergangenheitsbewältigung dar. Dabei darf man nicht vergessen, dass Matt ein fiktiver Charakter ist - an sich war mir das die ganze Zeit klar, aber gerade nach dem Ende fand ich es gut, dass es nach dem Roman noch ein Interview mit dem Autor gibt, in dem er noch mal einiges zu dem Buch sagt. Das Buch an sich liest sich sehr flüssig, wobei schon durch das Schriftbild gekennzeichnet ist, ob Matt gerade seine Medikamente nimmt oder nicht. Wenn er sie nicht nimmt, ist der Text quasi in Druckschrift, wie ein sehr großes Times New Roman. Ich fand das zwar anstrengend zu lesen, gleichzeitig sind das auch die Passagen, wo es schwer ist, Matt zu folgen, weil seine Gedanken für einen schon fremd wirken. Wenn er seine Medikamente nimmt, ist das Schriftbild "normal" - aber man merkt auch, dass Matt seine Schwierigkeiten hat, mit der ihm durch die Medikamente vorgegaukelten Normalität umzugehen. Nimmt er seine Medikamente nicht, erscheint ihm Simon, der mit ihm spielen will - nimmt er sie, kommt sein Bruder nicht zu ihm durch, was für Matt sehr schwierig ist, weil dieser wegen seiner Schuldgefühle denkt, er müsse immer für Simon da sein.

Ich muss zugeben, dass ich mir unter diesem Buch nicht viel vorstellen konnte, dafür jetzt umso beeindruckter bin. Matts Welt ist von meiner (die ich auch nicht zu 100% als normal bezeichnen würde) sehr verschieden, dennoch kann ich gut nachvollziehen, wie es ihm geht, wie er das Gefühl hat, dass sein Bruder ihm durch die Medikamente entgleitet, obwohl er doch für ihn da sein will. Es ist für mich schwer zu erklären, aber das Buch übte einen Sog auf mich aus. Manchmal konnte ich nur ein paar Seiten lesen und brauchte eine Pause, gestern hingegen habe ich den Rest des Buches (ca. 150 Seiten) in einem Rutsch gelesen. Es ist kein leichtes Buch, aber es ist ein Buch, dass es auf jeden Fall wert ist, gelesen zu werden, das eine interessante Perspektive bietet und aus der Masse hervorsticht.

Fazit: Nicht zu empfehlen, wenn man gerade etwas leichtes braucht, ansonsten rate ich: Lesen!!