Rezension

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Ein Leben in der Warteschleife

Das Fundbüro der verlorenen Träume -

Das Fundbüro der verlorenen Träume
von Helen Frances Paris

Bewertet mit 5 Sternen

Warmherziger und geistreicher Roman mit viel mehr Tiefgang als der doch etwas kitschige Titel vermuten lässt.

Dorothy Watson, genannt Dot, arbeitet im Fundbüro von London Transport. Täglich werden zahlreiche Gegenstände abgeliefert, die in den Londoner Bussen oder U-Bahnen liegengeblieben sind. Von der abgewetzten Jacke bis zum Luxuskoffer ist alles dabei. Dot macht es Freude, sich die Besitzer der Gegenstände auszumalen und mit besonderer Befriedigung erfüllt es sie, wenn die Gegenstände zu ihrem Besitzer zurückfinden. Eines Tages kommt ein älterer Herr ins Fundbüro, der die Ledertasche seiner verstorbenen Frau verloren hat. Für ihn war sie ein Bindeglied zu der Frau, die er offensichtlich sehr vermisst, und Dot wünscht sich nichts mehr, als ihm die Tasche zurückgeben zu können. Umso mehr freut sie sich, als sie tatsächlich abgegeben wird, doch leider ist die Adresse von Mr. Appleby unauffindbar. Mit detektivischem Spürsinn (nomen est omen!) macht sich Dot auf die Suche nach dem alten Herrn.

Abgesehen von ihrem Job hat Dot wenig Abwechslung in ihrem Leben. Ihr Vater, zu dem sie ein sehr enges Verhältnis hatte, ist tot, die zunehmend demente Mutter im Seniorenwohnheim. Zu ihrer übergriffigen und besserwisserischen älteren Schwester Philippa vermeidet sie den Kontakt, soweit möglich. Philippa ist es auch, die so schnell wie möglich die Maisonettewohnung der Mutter, in der auch Dot lebt, verkaufen möchte, was Dot ziemlich aus der Bahn wirft. Nach und nach erfährt der Leser mehr über Dots Leben. Sie war nicht immer die zurückgezogene und wie aus der Zeit gefallene Frau, die andere in ihr sehen. Vor Jahren studierte sie in Paris, war lebenslustig und hatte große Pläne für ihr Leben. Doch dann kam es zu einem Ereignis, das alles veränderte.

„Das Fundbüro der verlorenen Träume“ fiel mir zuerst wegen des wunderschönen und ausgefallenen Covers auf. Die Leseprobe hat mich positiv überrascht. Ich hatte einen seichten und vorhersehbaren Feelgood-Roman befürchtet, doch der Stil war unerwartet geistreich und witzig und der Roman hat sehr viel mehr Tiefgang als der doch etwas kitschige Titel vermuten lässt (Im englischen Original heißt das Buch ganz einfach „Lost Property“, Fundbüro). Die liebevoll gezeichneten, teils recht skurrilen Personen und überraschende Wendungen in der Geschichte haben das Buch für mich zu einem Lesevergnügen gemacht. Ein warmherziger Roman, den ich kaum aus der Hand legen konnte.