Rezension

Eine Liebeserklärung...

Buchland
von Markus Walther

Bewertet mit 5 Sternen

'Das Buchland im Keller unter uns ist unglaublich viel mehr, als diese Aneinanderreihung von gefüllten Regalen. Dort findet man billige Klischees, abgedroschene Fantasien und halbe Wahrheiten direkt neben den großen göttlichen Ideen, die die Welt veränderten. Die ganze Kreativität der Menschheit.' Dieses Antiquariat ist nicht wie andere Buchläden! Das muss auch die gescheiterte Buchhändlerin Beatrice feststellen, als sie notgedrungen die Stelle im staubigen Antiquariat des ebenso verstaubt wirkenden Herrn Plana annimmt. Schnell merkt sie allerdings, dass dort so manches nicht mit rechten Dingen zugeht: Wer verbirgt sich hinter den so antiquiert wirkenden Stammkunden 'Eddie' und 'Wolfgang'? Und welche Rolle spielt Herr Plana selbst, dessen Beziehung zu seinen Büchern scheinbar jede epische Distanz überwindet? Doch noch ehe Beatrice all diese Geheimnisse lüften kann, gerät ihr Mann Ingo in große Gefahr und Beatrice setzt alles daran, ihn zu retten. Zusammen mit Herrn Plana begibt sie sich auf eine abenteuerliche Reise quer durch das mysteriöse Buchland. Dort treffen sie nicht nur blinde Buchbinder, griechische Göttinnen und die ein oder andere Leseratte, auch der Tod höchstpersönlich kreuzt ihren Weg. Und schon bald steht fest: Es geht um viel mehr, als bloß darum, Ingo zu retten. Vielmehr gilt es, die Literatur selbst vor ihrem Untergang zu bewahren! Markus Walther, der Autor der Kurzgeschichtensammlungen 'EspressoProsa' und 'Kleine Scheißhausgeschichten', entführt den Leser nun mit seinem ersten Roman in die phantastische Welt des Buchlandes. Ein Muss für jeden Bibliophilen!

Herr Plana sucht eine Fachkraft für sein nicht gut gehendes Antiquariat. Als Beatrice Liber sich für diese Stelle bewirbt, weiß er bereits, dass er sie einstellen wird ohne ihre Bewerbung zu lesen. Einstellungskriterium ist das Vorlesen - wenn es Beatrice gelingt, dem Text durch ihr Lesen eine Seele einzuhauchen, hat sie die Stelle sicher: "Sie müssen das Gewicht jedes Wortes spüren, die Gedanken des Autors fühlen, die Welt der Protagonisten erfahren, hineinschlüpfen zwischen die Seiten..." (S. 12).
Die Verwirrung über dieses Einstellungsgespräch ist erst der Anfang aller Verwunderung. Denn das Antiquariat des Herrn Plana ist kein gewöhnlicher Buchladen. Und auch Herr Plana selbst birgt das ein oder andere Geheimnis...

Anfangs sind es nur Kleinigkeiten, die Beatrice stutzen lassen, Details, für die sich (fast) noch eine rationale Erklärung finden lässt. Doch allmählich taucht sie ein in die ganze Dimension des Buchlandes - und der Leser mit ihr. Herr Plana nimmt sie bei der Hand und erwartet anfangs einen großen Spaß, mit ihr das Buchland zu entdecken.
Doch die Dinge entwickeln sich anders. Bald schon geht es nicht mehr nur darum, Bea die Liebe zu den Büchern wiederzuvermitteln - "Man braucht nur einzutauchen, mit dem Kopf voran. Reine Vorstellungskraft formt aus einfachen Schriftzeichen neue Realitäten. Das ist pure Magie." (S. 39). Bald schon erkennen Herr Plana und "seine" Beatrice, dass es gilt, den Tod höchstselbst auszutricksen. Es geht um nichts Geringeres als um das Leben von Beas Mann und letztlich gar um den Erhalt der Literatur...

Was für ein Vergnügen war es, dieses Buch zu lesen! Ein Ausbund an Fantasie begegnet einem da, ein Land, von dem jeder Lesebegeisterte nur träumen kann: das Buchland. Bildgewaltig schafft es Markus Walther, ein Kopfkino sondergleichen zu entfachen. Man mag das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen, so viel gibt es zu entdecken in den Gefilden des Herrn Plana!
Geheime Ecken und Plätze bergen ebenso viele Überraschungen wie die Begegnung mit ein paar ganz besonderen Kunden des Antiquariats. Von den magischen Geschehnissen mal ganz zu schweigen: "Die Grenzen zwischen Fiktion und Realität sind nirgendwo dünner als in der Nähe von Büchern. Manchmal verwischen diese Grenzen ganz." (S. 39) Wie wahr, wie wahr...

Dabei ist das Buch für mich keine reine Fantasy. Beinahe in jedem Satz ist spürbar, mit wieviel Vergnügen und Herzblut der Autor sein Werk verfasst hat. An jeder Ecke begegnen einem kleine Wortspiele, Zitate, Anspielungen auf Autoren und Buchtitel, Figuren aus Büchern und auch eingestreute Details, auf die man erst durch die Leserunde aufmerksam wird, die dann aber um so mehr freuen (z.B. die Hausnummer des Antiquariats). Das Buch ist eine reine Liebeserklärung an die Welt der Bücher...
Dabei schafft Markus Walther nicht nur eine absolut fantastische Welt, sondern würzt das ganze mit Zynismus, trockenem schwarzem Humor, Seitenhieben auf die heutigen Gepflogenheiten in der Welt der Literatur (ebooks, Self Publishing, Internetverkäufe) und vermittelt "nebenbei" noch allerlei Wissenswertes über Bücher, das Schreiben, das Lesen, den Buchdruck...

Für mich war das Buch ein Lesevergnügen im wahrsten Sinne des Wortes. Wie gerne würde ich einen Schlüssel zu diesem Buchland haben und selbst auf Entdeckungsreise gehen...
Ein Buch, das mich ganz eintauchen ließ in diese wundersame Welt, mich schmunzeln und lachen machte, mich berührte, nachdenklich stimmte, mich magisch in seinen Bann zog.

Ich danke Markus Walther für dieses Erlebnis und die intensive Leserunde, die die Fantasie noch realer werden lässt.
Und ich wünsche mir noch viele weitere Bücher von ihm, auf dass diese nicht in der "Kammer der ungeschriebenen Bücher" enden mögen...

© Parden