Rezension

Exzesse des Tötens.

Butcher's Crossing - John Williams

Butcher's Crossing
von John Williams

Bewertet mit 5 Sternen

John Williams, geboren 1922 in Texas, gestorben 1994 in Arkansas,USA, ist ein begnadeter Erzähler gewesen. Trotzdem habe ich mich bei den zweien bisher gelesenen seiner vier belletristischen Romane, bisher schwer getan mit seinen Helden;ich mag sie nicht! Wie sehr der Autor sich mit seiner jeweiligen Hauptfigur identifiziert auf irgend eine Art und Weise, kommt nicht nur dadurch zum Ausdruck, dass sie Teile seiner Vita nachleben, sondern auch durch ihre Namen: heissen sie doch alle, wie er: William Stoner/ William Andrews. Im einzelnen:

John Williams Lebenslauf hat gewisse Ähnlichkeiten mit dem Leben mancher seiner Helden. William „Stoner“ im gleichnamigen, dritten Roman John Williams, war Prof. für Englische Literatur; so lehrte auch der Autor an der Uni/Denver 30 Jahre lang im Fachbereich Englisch. Stoner hat, wie der Autor, eine ländliche Abstammung aufzuweisen, eine Abstammung, von der sie sich schliesslich beide unter Schmerzen lösen, Held wie Autor.

Der Bezug zum Ländlichen, zum Land, schlägt im zweiten Roman des Autors, Butcher’s Crossing, noch viel stärker zu Buche und so führt John Williams seine Leser in die Rockies und deren unendliche Prärien, Täler und Flüsse. Die Naturverbundenheit des Autors macht die Lektüre dieses Buches zum Genuß, während der Inhalt der Erzählung ihn zur Verzweiflung treiben kann.

Ja, der Roman wäre eine wunderbare, Naturschönheiten beschreibende Hommage an die Existenz und Herrlichkeit dieses weiten und zugleich hohen Landstrichs der Staaten, mit seiner wilden, sich selbst erhaltenden Tier- und Pflanzenwelt, die heute vor dem Zugriff des Menschen, in Naturreservate gzwängt, geschützt werden muß, damit überhaupt etwas davon erhalten werden kann, - wenn der Mensch nicht wäre, wie er ist. Denn der Mensch rottet aus, was auszurotten ist, in Gier, die keine Grenzen kennt, im Exzess.

Wie in Stoner wird auch in Butcher’s Crossing nur geschildert und nicht offenkundig gewertet, erzählt wird einfach das, was ist, was geschieht:

Es sind die letzten Tage der Büffeljäger, bevor die Jagd für immer endet. Ausgang und Ende der Jagd ist das Städtchen Butcher’s Crossing, irgendwo im nirgendwo, und temporär liegt zwischen Aufbruch und Rückkehr die Wandlung des Helden (oder Antihelden) William Andrews, nämlich seine Wandlung vom zarten Jüngling zum Mann, vom unerfahrenen Greenhorn/Weichei, zum harten Knochen, den nichts mehr erschüttern kann oder auch die Wandlung von der Unschuld zur Schuld. Andrews, der nach der schwärmerischen Lektüre von Ralph Ermersons Naturphilosophie sich von „der Natur“ das Finden der eigenen Natur erträumt, vorfinanziert die Jagd und ist insofern der Verursacher und eigentlich Schuldige der Misere.

Was findet er nach dem gnadenlosen Abschlachten der letzten 5000 Büffel Amerikas auf einen Schlag, dem Massakrieren der friedlichen, majestätischen Tiere, die trotz der tödlichen Schüsse weiter grasen und nicht weglaufen, wenn man erst einmal ihr Leittier abgeschossen hat?

Er findet die bange Frage, ob „es“ in allen ist, die Anlage zur Bestie, die Blutgier, die Erbarmungslosigkeit. Allerdings denkt der Held die Frage nicht zu Ende, die stracks zu sämtlichen Vernichtungslagern auf der Erde führt, zum Holocaust, den Massengräbern in Myanmar, dem Flüchtlingssterben auf dem Mittelmeer, aber auch zum Fracking, maßlosem Bergbau, Überfischung, globaler Erwärmung und dgl. mehr.

Er findet keine Antwort, weil er kein Gegenmittel weiß und kennt und deshalb nicht zu Ende denken darf.

Fazit: Ein genial geschriebenes, aber auch schreckliches Buch, das klar offenlegt, dass sich nie etwas Grundlgendes geändert hat in der Geschichte der Menschheit.

Bliebe noch John Williams erster Roman „Nothing But the Night“ und sein letztes Buch „Augustus“ zu entdecken, wobei mich der historische Roman „Augustus“ mehr reizt, weil John Williams sich dabei von seiner Vita lösen muß.

Kategorie: Gehobene Literatur
Verlag: DTB, 2015

Kommentare

Naibenak kommentierte am 26. Mai 2015 um 16:58

Sehr tolle Rezi, Wanda! Sprichst mir aus der Seele! Ein toller, genialer Autor - das finde ich auch! :-)

yvy kommentierte am 24. Juli 2015 um 10:56

Du bringst es gut auf den Punkt und triffst exakt den Kern, wie ich finde.

Tolle Rezension!