Rezension

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Gib dem Leser Zucker...

Tausend Wellen fern 1 - Rebecca Maly

Tausend Wellen fern 1
von Rebecca Maly

Natürlich wissen wir alle wie gesunde Ernährung geht und selbstverständlich ist Zucker böse ;-) Und trotzdem, so ein süßbunter Jahrmarktbesuch mit Liebesapfel, Softeis und rosa Zuckerwatte muss manchmal sein! Völlig unvernünftig mit Minimalstnährwert, aber es macht doch so glücklich! 

Das brauch ich nun nicht jede Woche, noch nicht 'mal jeden Monat, aber so ein-, zweimal im Jahr liebe ich es mich, einem vor Aufregung zappelnden Kind gleich, mit diesem Zeug voll zustopfen :-)

Das gilt komischerweise auch für Bücher.

Ich lese gerne Literatur, die Nullstellen läßt, die mich herausfordert, inhaltlich, sprachlich, aber manchmal will ich halt einfach nur wegtauchen, Urlaub vom Nachdenken, will ich diesen bibliophilen Zuckerrausch!

Verlangt es mich nach einem gut erzählten Plot, dessen Ende recht wahrscheinlich, der Weg dahin aber wendungsreich ist, aber bitte, ohne die Gesetze der Logik völlig auszuhebeln, habe ich gerne ein Setting, das meine Neugierde auf Fremdes befriedigt und Figuren, die nicht zu stereotypisiert sind. Wenn das ganze dann noch in möglichst unverstümmelter Sprache daherkommt, bade ich mit Wonne in dieser karies- und adipositasfördernden Welt der Zuckerbäckerliteratur, um nach Stunden oder Tagen aufzutauchen, mit Lust auf etwas Herzhaftes.

Wer genau nach einem solchem Rausch für einen oder zwei  Nachmittage auf Balkonien oder am Baggersee sucht, wird mit Rebecca Malys vierbändiger Neuseelandsaga "Tausend Wellen fern" mit insgesamt etwa 280 Seiten als E-book bei Edel und Elements erschienen, sehr glücklich werden.

1872 verlassen die junge Kaylee und ihre frisch zur Eheauflösung gedrängte Mutter Erin Dublin auf einem Dampfsegler, um sich im mindestens Tausend Wellen fernen Neuseeland eine neue Existenz aufzubauen. Dort erwartet Erin ein Freund ihres Bruders, ein ihr persönlich unbekannter Witwer, um dessen jungen Töchter sie sich kümmern soll, und in dessen Apotheke sie, wie einst bei ihrem Mann, aushelfen könnte. Also eine Option  frei von Emotionen ihren Lebensunterhalt in der Fremde zu bestreiten mit der Aussicht, aus der Geschäftsbeziehung ein mögliches privates Glück entstehen zu lassen.

Die vier Bände beschreiben die Reise und die Zeit des sich Einfindens in eine neue Welt mit all ihren Gefahren und Herausforderungen, die eine Auswanderung auch damals, bedeutete, und wie unterschiedlich die beiden Frauen damit umgehen.

Der Autorin gelingt es den Leser in eine andere Welt zu entführen. Durch detailreiche, alle Sinne ansprechende Beschreibungen der urwüchsigen Lebens-und Arbeitsbedingungen der Seefahrer, der auf Europäer des 19. Jh.exotisch wirkende Kultur der Maori, mit ihrer so anderen Spiritualität, ihrem Ahnenkult, und ihren  beängstigend wirkenden Tätowierungen und die überaus reiche Flora und Fauna Neuseelands.

Das ganze dann noch eingebetet in die romantische Liebesgeschichte von Kaylee und dem jungen Seefahrer Timothy, aus deren Perspektiven die Geschichte abwechselnd erzählt wird.

Meine Leseempfehlung für alle literarischen Naschkatzen mit Hang zur Exotik und schrecklichem Fernweh, die furchtlos jedem Zuckerschock trotzen.