Rezension

Glück

Das Glück, wie es hätte sein können - Véronique Olmi

Das Glück, wie es hätte sein können
von Véronique Olmi

Bewertet mit 4.5 Sternen

Es ist eine heikle Sache mit dem Glück. Alle Menschen suchen es, einige finden es, wenigen gelingt es, das Glück dauerhaft festzuhalten. So ergeht es auch den Figuren in diesem Roman. Serge ist sechzig, noch sehr attraktiv, erfolgreicher, sehr vermögender Immobilienmakler. Er besitzt ein wunderschönes Haus mit Garten in bester Lage in Montmartre, seine wunderschöne Frau ist dreißig Jahre jünger und wunderschön sind auch seine zwei kleinen Kinder. Alles Glück der Erde könnte man meinen, aber eine tiefe Angst beherrscht sein Leben, eine Angst, die aus der verdrängten, unglücklichen Kindheit ihre Arme nach ihm ausstreckt. Serges liebevolle Mutter starb als er noch klein war, sein kalter, gewalttätiger Vater schickte ihn daraufhin von einem Internat ins nächste. Er vermochte ihn nie zu lieben. Unter dieser verweigerten Liebe und einem dunklen Geheimnis des Vaters leidet Serge immer noch. Die Angst verdrängt, aber nie besiegt. Selbst im Umgang mit seinem kleinen Sohn spürt er das alte Trauma, kann ihm nie so unbeschwert liebevoll begegnen wie seinen Tochter. Da begegnet er Suzanne, der Klavierstimmerin, und erlebt einen Menschen, der scheinbar ohne Angst lebt. Serge ist fasziniert, obwohl Suzanne weder sehr jung, noch besonders attraktiv ist, fast ein wenig gewöhnlich findet er sie. Er stürzt sich in eine leidenschaftliche Affäre und erzählt ihr von seiner bisher nie erwähnten Kindheit. Suzanne selbst lebt in einer weitgehend harmonischen Ehe, wie so viele hat sie mit den Jahren den Glanz verloren.

"Kann man auf jemanden sauer sein, weil er ein Puzzle macht? Kann man auf jemanden sauer sein, weil er das Bad in gebrochenem Weiß streicht? In Paris picknickt, jenseits der Fünfzig? Nein, nein, nein, tausendmal nein."

Serge denkt einmal: "Ich weiß, ich kann nicht so weitermachen. Ich schaffe es nicht, es ist zu lang, all die Tage in diesem Haus, wo wir versuchen, uns anzunähern, wo wir versuchen, uns so wenig wie möglich wehzutun, und es trotzdem tun."

Das auch die Liebesgeschichte von Serge und Suzanne keine Zukunft haben wird, ahnt der Leser bereits zu Beginn. Auch stellt die "Amou fou" gar nicht mal das zentrale Motiv. Mindestens genauso geht es um Verletzungen, die man in der Kindheit erlitten hat, um Vater-Sohn-Beziehungen, die

(Un)Möglichkeit von Glück. Dabei lässt es die Autorin offen, ob es sich gelohnt hat, das "Glück, wie es hätte sein können" aufzugeben, da es nicht echt war, oder ob danach eine noch tiefere Einsamkeit, ein noch größeres Unglück wartet. "Nous étions faits pour être heureux", Wir sind dafür gemacht, glücklich zu sein, so der Originaltitel. Dass wir das aber eher selten schaffen, zeigt uns Véronique Olmi in diesem schmalen, leisen, melancholischen Buch. Sie tut das in typisch französischer Art, sehr nachdenklich, poetisch, musikalisch und letztlich tieftraurig. Sicher nicht für jeden ein Lesegenuss. Wer diese Art zu erzählen aber mag, wird zudem mit wunderschönen Bildern aus Paris belohnt, wird mit den Figuren durch Montmartre flanieren.