Rezension

Immer weiter nach Norden

Die Frau, die nie fror - Elisabeth Elo

Die Frau, die nie fror
von Elisabeth Elo

Bewertet mit 4 Sternen

"Die Frau, die nie fror" (im Original "North of Boston") ist ein interessantes Debüt der amerikanischen Autorin Elisabeth Elo. Im Mittelpunkt des Romans steht Pirio Kasparov, die als Ich-Erzählerin auftritt. Ihre Eltern sind russische Einwanderer. Ihre Mutter Isa starb, da war Pirio gerade 10 Jahre alt. Als Teenager verbringt sie die meiste Zeit mit ihrer Freundin Thomasina. Beide lernen sich auf der Gaston School in Boothbay, Maine, kennen. Thomasina ist ein Scheidungskind reicher Eltern und hochintelligent. Nach dem Schulabschluss kehren beide gemeinsam nach Boston zurück. Pirio steigt in das Unternehmen ihrer Eltern, Inessa Mark, Inc., eine Parfümfirma, ein. Thomasina wird zur Alkoholikerin. Sie lernt Ned Rizzo, Sohn irisch-italienischstämmiger Arbeiter aus South Boston, kennen. Aus dieser kurzen Beziehung stammt Noah. Pirio ist Noahs Patentante. Sie liebt das Kind abgöttisch und gibt ihm Halt, wenn seine Mutter wegen ihrer Alkoholexzesse nicht dazu in der Lage ist. Eines Tages ist Pirio mit ihrem Freund Ned auf seinem Hummerkutter 25 Meilen nördlich vor der Küste Bostons unterwegs, als sie von einem riesigen Frachter steuerbord gerammt werden, der ohne Hilfe zu leisten im Nebel verschwindet. Ned setzt noch einen Notruf ab, während Pirio in das eiskalte Wasser springt. Vier Stunden treibt sie bei Wassertemperaturen von sechs Grad im Nordatlantik, dann wird sie endlich gerettet. Ihr Überleben verdankt sie einer Unempfindlichkeit gegen Unterkühlung. Die Suche nach Ned wird dagegen nach zwanzig Stunden erfolglos abgebrochen. Für diese besondere Eigenschaft Pirios interessiert sich das Militär, und sie stellt sich für Experimente zur Verfügung. Da sich die Suche nach den Schuldigen des Schiffsunglücks in die Länge zieht, nimmt Pirio die Ermittlungen selbst in die Hand und stellt nach kurzer Zeit fest, dass ein Unfall unwahrscheinlich ist. Wer trachtete Ned nach dem Leben? Steckt am Ende Neds früherer Arbeitgeber, die Firma Ocean Catch, bei der er zwanzig Jahre gearbeitet hat, dahinter? Pirio gerät in große Gefahr. Sie kann niemandem vertrauen, weder ihrem ehemaligen Geliebten John Oster noch dem angeblichen Schadensermittler Larry Wozniak, den sie bei der Beerdigung von Ned kennengelernt hat und der sich später als der Enthüllungsjournalist Russell Parnell entpuppt. Pirio verfolgt Neds Gegner bis in die weiten Gewässer der Baffin Bay in Alaska. Sie löst zwei Mordfälle, findet ein verloren geglaubtes Parfüm wieder und deckt einen riesigen Skandal auf.

Elisabeth Elo hat mit Pirio und Thomasina sehr sympathische Figuren geschaffen. Es geht in ihrem Roman "Die Frau, die nie fror" allerdings um mehr als nur die Suche nach den Schuldigen für Neds Tod. Sie schreibt über die Schwierigkeiten zwischenmenschlicher Beziehungen, über das Verhältnis zwischen Pirio und ihrem Vater Milosa oder zu ihrer Stiefmutter Maureen. Ihr Vater schickte sie früh auf eine teure Schule, und er hat sie nie so geliebt, wie es ein Vater tun sollte. Er ist es aber auch, der ihr dringend rät, weiter nach Neds Mörder zu suchen. "Wenn der Partner eines Mannes ermordet wird, muss dieser Mann etwas tun." (S. 74) Ein außergewöhnlicher Familienroman und Ökothriller mit einer starken Heldin, die sich durch Mut, Loyalität, Scharfsinn und Hartnäckigkeit auszeichnet. Ich freue mich auf das nächste Werk der Autorin, das im Nordosten Sibiriens und in Boston spielen wird. Für dieses starke Debüt gebe ich eine absolute Leseempfehlung.