Rezension

Leichte Beute

Schlaflied - Cilla Börjlind, Rolf Börjlind

Schlaflied
von Cilla Börjlind Rolf Börjlind

Europa versucht des Ansturms der Flüchtlinge Herr zu werden, und Schweden macht hier keine Ausnahme. Die Behörden sind überfordert, aber glücklicherweise gibt es auch engagierte Privatpersonen, die den Sozialarbeitern unterstützend zur Seite stehen und im Rahmen ihrer Möglichkeiten dort helfen, wo Not am Mann ist. Aber nicht alle tun dies uneigennützig und aus reiner Nächstenliebe.

Diese Erfahrung muss auch das Team von Mette Olstätter machen, das den Tod eines Jungen untersucht, dessen Leiche im Wald vergraben wurde. Das Ergebnis der Obduktion offenbart sein schreckliches Schicksal. Und dieser Leichenfund soll kein Einzelfall bleiben. Obwohl alle mit Hochdruck ermitteln, sind die Ergebnisse spärlich. Die einzige Gemeinsamkeit der Opfer ist die Tatsache, dass es sich bei allen um Flüchtlingskinder ohne Erwachsenenbegleitung handelt.

Tom Stilton bietet seine Hilfe an und aktiviert alte Kontakte, die ihn mit Informationen versorgen. Die Spur führt nach Rumänien, und so macht sich Tom gemeinsam mit seiner Kollegin Olivia Rönning auf den Weg. Was sie dort erleben, bringt sie in Lebensgefahr und lässt nicht nur ihnen, sondern auch dem Leser den Atem stocken. Die Autoren Cilla und Rolf Börjlind schildern das Leben der rumänischen Straßenkinder ungeschönt und deshalb für den Leser umso schwerer zu ertragen (in ihrem Nachwort nennen sie die entsprechenden Quellen).

Parallel dazu behandelt ein weiterer Handlungsstrang die Suche eines nigerianischen Flüchtlingsmädchens nach ihrem Bruder. Muriel, eine ehemalige Bekannte aus Toms Obdachlosenumfeld, kümmert sich rührend um sie…zumindest solange, bis das Mädchen  eines Tages spurlos verschwindet. Muriel bittet Tom um Hilfe, und gemeinsam mit dem Team macht er sich auf die Suche nach der Verschwundenen.

„Schlaflied“ der vierte Band der Rönning/Stilton-Reihe unterscheidet sich von den Vorgängern. Zwar gibt es hier auch wieder einiges an privaten Verwicklungen, aber im Kern ist dies ein hochpolitisches, aber dennoch sehr spannendes Buch, das sich mit verschiedenen Aspekten der Flüchtlingsfrage beschäftigt. Da sind zum einen die latent vorhandenen Vorurteile, die in den unbedachten Äußerungen von Olivias Kollege Bosse deutlich werden, zum anderen aber auch die Frage, wer die alleinreisenden Kinder vor skrupellosen Elementen schützt, die in ihnen eine leicht Beute sehen. Aber natürlich stellt sich auch die Frage aus der Sicht der Ermittler, wieviel Leid man im Laufe eines Berufslebens ertragen kann, bevor man völlig ausgelaugt das Handtuch wirft.