Rezension

Lektüre voller Gefühle, Herzschmerz und Hoffnung.

Vor uns das Leben - Amy Harmon

Vor uns das Leben
von Amy Harmon

Bewertet mit 4 Sternen

Vor uns das Leben - Eine schicksalhafte Zukunftskorrektur.

Das Leben lag noch vor ihnen allen, vor der kleinen Truppe von Freunden, die mit ihren Familien in Hannah Lake in Pennsylvania wohnten, die zwölfte Klasse der Highschool besuchten und in einem Jahr ihren Abschluss machen würden . Eigentlich verliefen  ihre Tage unbeschwert, geprägt vom Lernen für den schulischen Endspurt, von zahlreichen sportlichen Aktivitäten, Tanzvergnügungen, Ausflügen zum Hannah Lake und einer Menge mehr oder minder lockerem Beziehungskram untereinander. Ihre Mentalitäten prallten schon ab und zu einmal aufeinander, aber meist wurde das in Form von harmonischer Rangelei beigelegt. Man bekleidete halt so seine Position in dieser Clique und jeder akzeptierte das. Sei es nun Ambrose Young, der "Star" in Aussehen, Sportlichkeit und Durchsetzungsvermögen, seine Kumpel Paul Kimbal, Grant Nielson, Jesse Jordan und Bean O'Toole, oder auch die zarte Fern Taylor, die immer so selbstkritisch mit sich umging und die attraktive Blondine Rita Marsden, deren Erfolg bei den Mitschülern einfach selbstverständlich war. Aber auch Bailey Sheen gehörte dazu - der feinfühlige, intelligente Sohn des Ringkampftrainers Mike, der an Duchenne erkrankt war und im Rollstuhl saß. Sie bildeten eine unbelastete Gemeinschaft voll jugendlicher Unbeschwertheit und Leichtigkeit, voll freudiger  Zukunftserwartungen auf eine phantastische Zeit, die das Leben für sie bereitzuhalten schien.

Nicht vorhersehbar, unangekündigt und ohne Skrupel können solche Pläne vom Schicksal zerstört werden, können Hoffnungen sich in Nichts auflösen und das Dasein zur Konfrontation mit Schmerz und Verlust werden. Dann wird sich entscheiden, ob die eigene Stärke ausreicht um hier zu bestehen, ob anscheinend Trennendes auch zusammenführen kann und ob das wirklich Bedeutsame hilft, eine neue Zukunft aufzubauen - eine ganz andere als man jemals gedacht hatte. 

 

Amy Harmon versteht es auf wunderbar anrührende Art das Schicksal dieser Jugendlichen direkt in die Seele des Lesers zu transportieren. Selbst wenn der von ihr gewählte Weg nicht neu ist und der Lesende mit etlichen schriftlichen "déjà vue" - Erkenntnissen unterhalten wird, verschafft der flüssige Sprachstil unterhaltsame Lektüre. Der Szenenwechsel zwischen Gegenwart und Vergangenheit wird gekonnt als Möglichkeit genutzt, den Leser intensiv über Personen, Gegebenheiten und Zeitgeschehen zu informieren. So werfen auch der 11. September 2001 und der verhängnisvolle Irak-Krieg ihre Schatten über die unbeschwerte Leichtigkeit der Schüler, die speziell und detailliert skizziert wurden und dem Leser nach kurzer Zeit schon vertraut geworden sind. Jeder für sich - ausgefallen und besonders - geben sie dem Roman Authentizität und Überzeugungskraft, fordern den Leser zur Stellungnahme auf und integrieren ihn durch eine große Palette meist nachvollziehbarer Gefühle und Handlungen.

Mit ihrem Buch "Vor uns das Leben" wollte Amy Harmon einen Roman für die Jugend schreiben, aber eigentlich ist es ein "Gesellschaftsroman" geworden, der keine Alterbegrenzung kennt, denn alle Dinge, die hier eine Rolle spielen, alles menschliche Verhalten und alle Empfindungen, die diesen Roman lebendig machen, sind nicht allein an die Jugend gebunden, sondern erreichen jeden Menschen, der solche Emotionen zulässt. Es ist eine überbordende Fülle davon vorhanden und manchmal tut es einfach gut, sich für ein paar Stunden davon mitnehmen zu lassen.

Dafür gebe ich dem Buch dann auch gerne meine Leseempfehlung mit auf den Weg.