Rezension

Wirkt lange nach!

Wir Kinder vom Bahnhof Zoo - Christiane F., Kai Hermann, Horst Rieck

Wir Kinder vom Bahnhof Zoo
von Christiane F. Kai Hermann Horst Rieck

Bewertet mit 4 Sternen

Das Buch ist mit Sicherheit ein Klassiker, sowohl bei Erwachsenen als auch bei Jugendlichen. Zu Recht, wie ich finde! Inhaltlich geht es um die autobiografische Erzählung des jungen Mädchens Christiane F., welches jungen Jahren mit ihren Eltern nach West-Berlin zieht und dort mit etwa 12 Jahren immer tiefer in die dortige Drogenszene abrutscht, von Haschisch über pharmazeutische Mittel zu LSD und schließlich zum Heroin, das sie sich in die Venen spritzt.
Sehr detailliert erfährt der Leser, wie es in Christianes Kindheit zu Hause zugeht: Die Mutter hat nur geheiratet, um ihrem strengen Vater zu entkommen, ist beizeiten Mutter geworden und hatte zusammen mit ihrem Mann große Pläne. Daher der Umug nach Berlin. Wie sich herausstellt, ist der Vater ein ziemlicher Versager, bekommt nichts auf die Reihe, wird arbeitslos, trinkt und verprügelt in schöner Regelmäßigkeit seine Kinder (Christiane hat noch eine jüngere Schwester, über die im Verlauf des Buches aber kaum mehr gesprochen wird). Dazu kommt noch, dass die Familie in Gropiusstadt lebt, einer Betonwüste, die schlichtweg kinderfeindlich, weil streng geregelt ist. Es scheint von daher fast eine unausweichliche Straße zu sein, die Christiane in den Drogensumpf führt ...
Süchtig und immer auf der Suche nach Geld und "Stoff", prostituiert sich Christiane schließlich. Ihr Leben in der Drogenszene wird oftmals sehr drastisch beschrieben, und ich musste manchmal kurz aufhören zu lesen, um die Bilder meines Kopfkinos zu verarbeiten. Wie diese Menschen teilweise gelebt oder vielmehr existiert haben - schlimm! Überzeugende und nachhaltige Entzugsprogramme gab es damals noch nicht wirklich (das Buch spielt in den 1970ern). Auch Christiane versucht es immer wieder mit einem Entzug, mal allein, mal in einer Klinik, doch allesamt scheitern ...
Was mich an dem Buch so mitnimmt, ist seine Ehrlichkeit und Schonungslosigkeit. Dies ist auch der Tatsache geschuldet, dass die Geschichte aus der Ich-Perspektive erzählt wird. Doch Vorsicht - man muss immer bedenken, dass nicht Christiane selbst das Buch geschrieben hat, sondern zwei Autoren des stern-Magazins. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Christiane bei weitem nicht so reflektiert und selbstkritisch, ja, tweilweise sogar so distanziert und auch wortgewamdt war. Die Frage, die sich stellt, ist, inwieweit die Autoren hier ihre Kreativität und Routine genutzt haben, um aus den Interviews ein spannendes Buch zu machen. Zu bedenken ist auch, dass Christiane selbst sich zu dem Zeitpunkt eigentlich kein Leben ohne Drogen vorstellen kann und will. icher, sie will weg vom Heroin, nicht aber vom Rausch! Das Leben erscheint ihr dermaßen öde, die Gesellschaft heuchlerisch und falsch, dass sie es kaum erträgt, ein "normales" Leben zu führen. Rausch und "Gut-drauf-Sein" durch Haschisch aoll für sie Teil ihres zukünftigen Alltags sein.

Fazit: Ein Buch, dass sich lohnt zu lesen! Sicherlich ist es nicht mehr unbedingt aktuell, was den Konsum von Heroin angeht - die große Gefahr für Jugendliche liegt eher im Alkohol und in Aufputschmitteln. Dennoch ist es eine sehr intensive Geschichte, die mich nicht mehr losgelassen hat und die noch lange nachwirkt!