Rezension

Auch nach 35 Jahren noch sehr bewegend

Wir Kinder vom Bahnhof Zoo - Christiane F., Kai Hermann, Horst Rieck

Wir Kinder vom Bahnhof Zoo
von Christiane F. Kai Hermann Horst Rieck

Bewertet mit 4 Sternen

Christiane F. – die wohl auch noch heute berühmteste Drogenabhängige Deutschlands – schildert ihre Erlebnisse auf der Fixer-Szene am Berliner Bahnhof Zoo, wo sie mit 14 Jahren heroinabhängig wird.

 

Es gibt wohl kaum jemanden, der „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ nicht zumindest dem Namen nach kennt. Ich habe das Buch, wie so viele andere auch, als Jugendliche zum ersten Mal gelesen und in der Schule den Film angeschaut. Seither habe ich das Buch viele Male gelesen, und jedes Mal sind mir neue Aspekte aufgefallen.

 

Die Sprache des Buches ist sehr einfach gehalten. Obschon das Buch von zwei Journalisten anhand von Tonbandprotokollen geschrieben wurde, erschien es mir eher, als ob die Protokolle ohne Überarbeitung direkt abgetippt worden wären. In der Ich-Perspektive schildert Christiane tagebuchartig in einfachen Sätzen („er sagte, ich sagte, er sagte“) ihre Erlebnisse von der Kindheit bis zum Aufenthalt bei ihren Verwandten in Hessen, den sie zu diesem Zeitpunkt als ihre definitive Loslösung von Drogen erachtete. Auffällig ist dabei, wie gut sich Christiane noch Jahre später an Details, Dialoge etc. erinnern konnte, insbesondere wenn man bedenkt, dass sie während dieser Zeit grösstenteils auf Heroin war. Wie gut ihre Erinnerung an die Geschehnisse tatsächlich war, und wie viel sie sich nachträglich zusammengereimt hat, kann ich als Aussenstehende natürlich nicht beurteilen. Zwischendurch kommen auch noch weitere Beteiligte zu Wort, wie beispielsweise Christianes Mutter, die auf wenigen Seiten ihre eigene Sicht der damaligen Situation schildern.

 

In früheren Jahren war ich immer beeindruckt, dass Christiane die Schuld an ihrer Drogensucht niemand anderem zuschiebt („niemand wird gegen seinen Willen angefixt“). Als ich das Buch nun wieder gelesen hatte, fiel mir auf, dass sie zwar nicht mit dem Finger auf andere zeigt, gleichzeitig aber auch die Schuld nicht bei sich sucht. Sie gibt nie direkt zu, dass sie Fehler gemacht hat, dass es eine schlechte Entscheidung gewesen war, mit den Drogen anzufangen. Sie scheint sich als Opfer der Umstände zu sehen, dem gar nichts anderes übrig blieb, als sich den Drogen zuzuwenden, über ihre eigene Verantwortung an ihrem Leben denkt sie nie nach. Ob der Leser dieser Ansicht folgen will, ist sicher diskussionswürdig. Daher sehe ich „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ weder als Abschreckung vor Drogen, wie es die Einen sehen, noch als „Anleitung zum sorgenfreien Drogenleben“, wie es andere befürchten.

 

Mein Fazit

Immer noch tief beeindruckend, auch wenn ich es mit ü30 anders lese und auffasse als mit 15.