Rezension

Ein schwieriges Thema leicht erzählt

Der Bademeister ohne Himmel -

Der Bademeister ohne Himmel
von Petra Pellini

Bewertet mit 4 Sternen

REZENSION - „Ich brauchte nicht viel zu recherchieren, da ich erlebt habe, was es bedeutet, wenn Betroffene sich selbst verlieren, Angehörige Unterstützung brauchen und Pflegende überfordert sind. Das alles hat das Schreiben über Demenz bestimmt erleichtert“, erzählt die österreichische Autorin Petra Pellini (54), die als diplomierte Krankenschwester selbst viele Jahre in der Pflege demenzkranker Menschen tätig war, im Interview zu ihrem im Juli beim Kindler Verlag veröffentlichten Debütroman „Der Bademeister ohne Himmel“. Für einen ersten Auszug daraus war sie bereits 2021 völlig zu Recht mit dem Vorarlberger Literaturpreis ausgezeichnet worden.

Dank ihrer fachlichen Erfahrung sowie ihren vielfältigen Erlebnissen mit Demenzkranken und deren Angehörigen ist es Pellini gelungen, einen herzerwärmenden Roman zu schreiben, der es trotz dieses schwierigen Themas in seinem lockeren und humorvollen Stil seinen Lesern erleichtert, sich mit der in unserer zunehmend alternden Gesellschaft immer häufiger verbreiteten Krankheit zu beschäftigen. Im Roman erleben wir die ungewöhnliche Freundschaft und fürsorgliche Hingabe der 15-jährigen Schülerin Linda zu dem 86-jährigen an Demenz erkrankten Hubert.

Die pubertierende Linda kommt mit ihrer Mutter nicht klar, leidet unter dem Fehlen ihres Vaters, der die beiden nach vielen Streitigkeiten vor acht Jahren verließ, hat die gerade in der Pubertät häufigen Sorgen in der Schule und denkt deshalb darüber nach, „vor ein Auto zu laufen“. Hubert, der in seiner jetzigen geistigen Verfassung schon mal Karotten toastet und oft auf seine Frau wartet, die vor sieben Jahren gestorben ist, war sein Leben lang als Bademeister im nahen Strandbad unter freiem Himmel tätig. Seit seiner zunehmenden Demenz ist sein Lebensraum auf seine Wohnung – im Haus zwei Etagen über Lindas Wohnung – beschränkt, ganztägig umsorgt von der polnischen Pflegerin Ewa. Dreimal wöchentlich verbringt Linda nun den Nachmittag bei Hubert, um die Pflegerin zu entlasten, und leistet dem Senior Gesellschaft.

Pellini gelingt es nicht nur meisterhaft, die fortschreitende Erkrankung und das für Außenstehende unverständliche Handeln des 86-Jährigen in einzelnen Situationen beispielhaft, plausibel und berührend zu schildern, sondern auch die Reaktionen der in seinem und Lindas Umfeld lebenden Personen. So ist Huberts Tochter – neben ihrer beruflichen Tätigkeit und ihrer eigenen Familie – mit der zusätzlichen Belastung der Pflegebedürftigkeit ihres Vaters in ihrem Verantwortungsbewusstsein emotional und nervlich überfordert. Überfordert, wenn auch auf ganz andere Art, ist auch Ewa, die in ihrer fachkundigen Pflege und liebevollen Fürsorge für den 86-Jährigen aufgeht, dabei aber ihr eigenes Privatleben und ihre persönlichen Bedürfnisse vernachlässigt.

Die interessanteste Figur des Romans ist die erst 15-jährigen Linda, die durch ihre regelmäßige Begleitung des 86-Jährigen, den sie unbedingt im Leben halten will, und ihre Beobachtung seines langsamen Entgleitens die wahren Werte des Leben erkennt und zu schätzen lernt und ihre eigenen Probleme im Vergleich dazu als unwichtig verdrängt. Sie lernt Verantwortung zu übernehmen – nicht nur für andere, sondern auch für sich selbst.

Die Meinung über Pellinis Debütroman „Bademeister ohne Himmel“ mag unterschiedlich ausfallen: Betroffenen, die einen an Demenz Erkrankten zu umsorgen haben, mag der leichte, oft humorvolle Erzählton vielleicht dem ernsten Thema unangepasst erscheinen. Doch ist es genau die Absicht der als Krankenschwester erfahrenen Autorin, die Notwendigkeit zu zeigen, mit dem zu pflegenden Angehörigen nicht ständig wie mit einem Kranken und Siechen umzugehen, sondern seine „Macken“ gelassener hinzunehmen, ihn dennoch als vollwertigen Menschen zu akzeptieren und ihm vor allem seine Würde zu wahren. Genau dies schafft im Roman die 15-Jährige, die – frei von jeder persönlichen Verantwortung und anderweitigen Verpflichtung – dem Senior die notwendige Zuneigung geben und ihre Stunden mit ihm seinen Bedürfnissen anpassen kann. Die Autorin schildert nicht die Begegnung einer Minderjährigen mit einem Senior, sondern eine enge Beziehung zweier Menschen auf Augenhöhe.

Die 15-jährige Linda spricht mit dem 86-Jährigen in ihrem Alter angepassten, stellenweise schnoddrigem, manchmal witzigem Ton. Genau dieser lockere, unbeschwerte Umgang mit dem Kranken beschert nicht nur ihm kleine Glücksmomente. Dieser humorvolle Ton ist es auch, der diesen empathischen Roman über den Umgang mit Demenz-Kranken von psychischer Last befreit, ihn trotz aller Problematik so leicht und warmherzig erscheinen lässt und deshalb so lesenswert macht. Dieses Buch wird auch noch nach der Lektüre seine Leserinnen und Leser beschäftigen, ohne sie aber emotional zu bedrücken.