Rezension

Eine starke Frau

Im Nordwind -

Im Nordwind
von Miriam Georg

Bewertet mit 5 Sternen

„...Ihr Mann hatte getrunken. Sie hörte es daran, wie er die Treppe herauf kam. Alice hielt in der Bewegung inne, die Hand über dem brodelnden Kochtopf...“

 

Schon in diesen Zeilen im ersten Kapitel wird klar, dass Alices Ehe alles andere als glücklich ist. Gewalt in der Ehe begleitet sie von Tag zu Tag.

Die Autorin hat einen beeindruckenden historische Roman geschrieben. Wir befinden uns imn Hamburg im Jahre 1913. Der Schriftstil ist sehr fein ausgearbietet. Er bringt die Probleme der Protagonisten schnell auf den Punkt, lässt viel Raum für Emotionen und zeugt von einer intensiven Recherche.

Die Personen werden gut charakterisiert. Alice stammt aus einer Schaustellerfamilie. Einmal im Jahr trifft sie auf den Hamburger Dom ihre Eltern, allerdings mehr aus Pflichtbewusstsein als aus Zuneigung. Einmal schleudert sie ihrer Mutter entgegen:

 

„...Hast du vergessen, was ihr mit mir gemacht habt? Dass ihr mich verkauft habt!...“

 

Immer wieder gibt es im Buch kurze Rückblenden, die nach und nach aufzeigen, wie Alices Leben vor ihrer Ehe verlaufen ist. Auch ihr Bruder Jaris hat die Familie verlassen. Er arbeitet als Pferdewart in der Holsten - Brauerei.

Alice hat Angst um ihre Tochter Rosa. Deshalb wendet sie sich an John Reeven, einen Anwalt, der auch eine Sozialsprechstunde anbietet. Alice will die Scheidung und das Sorgerecht für ihre Tochter.

John macht ihr klar, dass ihre Chancen dafür sehr gering sind. Doch er ist von der jungen Frau so beeindruckt, dass er sie vor Gericht vertreten will.

John Reeven gehört zum Hamburger Geldadel Seine Familie besitzt eine Bank und Anteile an der Holsten – Brauerei. Schnell aber wird klar, dass hinter der feinen Fassade nicht alles Gold ist. Als Theodor, Johns Vater, schwer erkrankt, muss sich John entscheiden. Sein Bruder ist gerade dabei, die Brauerei abzustoßen und das Unternehmen in die Krise zu führen. Deshalb setzt Theodor beide Söhne zu gleichen Teilen als Vorstände ein. Damit kann aber John seinen Beruf als Anwalt nur noch bedingt ausführen.

Die Autorin hat die Gegensätze zwischen den Leben von Alice und John sehr genau ausgearbeitet. Doch das Leben spielt anders. Zwischen beiden entsteht eine Anziehung, die es nicht geben dürfte und die die Probleme eher verschärft, als zur Lösung beizutragen, zumal John verlobt ist.

Beeindruckend fand ich außerdem die Gerichtsverhandlung. Sie zeugt von Johns Fähigkeiten. Auf das Urteil muss ich allerdings bis zum zweiten Teil der Geschichte warten.

Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Es zeigt, wie wenig Rechte die Frauen in der damaligen Zeit hatten und dass sich viele deshalb nicht gewehrt haben.