Rezension

Beeindruckendes Debüt - bedrückende Familiengeschichte

Was ich euch nicht erzählte - Celeste Ng

Was ich euch nicht erzählte
von Celeste Ng

Inhalt
Am 3. Mai 1977 erscheint Lydia nicht zum Frühstück. Am Folgetag findet die Polizei ihre Leiche. Aber war es Mord oder Selbstmord und wieso sollte ausgerechnet die Lieblingstochter von James und Marilyn Lee sich das Leben nehmen, wo sie doch immer so ruhig und strebsam wirkte? Der Bruder Nathan macht in dem gutaussehenden Nachbarn Jack schnell den schuldigen aus und die Mutter, Marilyn, geht von Panik getrieben, selber auf Spurensuche. Einzig die kleine Schwester Hannah ahnt, welche Probleme Lydia hatte. Probleme, die ungesagt blieben in einer Familie, die getrieben davon war perfekt zu sein.

Meine Meinung
"Lydia ist tot". Mit diesem ersten Satz beginnt der Debütroman von Celeste Ng. Während ihre Eltern und Geschwister noch bangen, dass Lydia doch lebt, weiß der Leser schon Bescheid. Ihre Familie ist ratlos, war sie doch immer ein strebsames und glückliches Mädchen, das ihrer Mutter nacheifern und Ärztin werden wollte. Im Fokus der familiären Ermittlungsarbeit stehen die Fragen, wann und warum Lydia das Haus verlassen hat, warum sie auf den See hinausgefahren ist, wo sie doch nicht schwimmen kann und ob jemand dabei war, der für ihren Tod verantwortlich gemacht werden kann.

"Was ich euch nicht erzählte" spielt im Jahr 1977 und führt uns in Rückblenden in die Sechziger zurück. Lydia und ihr Bruder Nathan sind nicht direkt Außenseiter in der Schule, aber dennoch wird ihnen täglich bewusst, dass sie als einzige Asiaten eine besondere Stellung einnehmen. Offener Rassismus wird von ihrem Umfeld zwar nicht auf aggressive Weise gezeigt, ist aber stets ein präsenter Teil des Lebens der Familie Lee.

Doch nicht nur der gesellschaftliche Druck, sondern auch der innerhalb der Familie macht das Leben für jedes einzelne Mitglied fast unerträglich. Marilyn hat immer davon geträumt als Ärztin zu arbeiten, ihr Medizinstudium jedoch zugunsten der Familie aufgegeben. Nun projiziert sie ihren Traum auf Lydia, die nicht weiß, wie sie sich dagegen wehren soll und zu allem ja sagt, was ihre Mutter ihr vorgibt zu tun. Welch fatale Folgen dies hat, wird an dieser Stelle natürlich nicht verraten, denn genau das ist das spannende an der Geschichte, die nicht nur an die Handlung fesselt, sondern auch nachdenklich stimmt.

Fazit
"Was ich euch nicht erzählte" ist die tragische Geschichte überzogener Erwartungen, dem Wunsch so sein zu wollen, wie alle anderen und der Unfähigkeit miteinander zu reden.