Rezension

Hinter der Fassade

Was ich euch nicht erzählte - Celeste Ng

Was ich euch nicht erzählte
von Celeste Ng

Die ersten 70 Seiten waren frustrierend.
"Lydia ist tot." Der erste Satz wie ein Alarmsignal. Und dann wird der Leser mit Details aus dem Leben der Eltern „gelangweilt“ und mir zwang sich die Frage auf: Muss ich das wirklich alles wissen? Ja, muss ich!

Aber der Reihe nach:
„Lydia ist tot.“ Prägnanter kann ein Buch kaum beginnen.
Es ist der 3. Mai 1977 und älteste Tochter erscheint sie nicht zum Frühstück. Die erklärte Lieblingstochter, die Augenweide, der Hoffnungsträger von James und Marilyn Lee. Was ist dem ruhigen, strebsamen, intelligenten Mädchen zugestoßen? War es Mord oder doch Selbstmord?
James – der Sohn chinesischer Einwanderer –, und seine Frau, die Amerikanerin Marilyn setzen alle Hoffnung in ihre große Tochter, die mit aller Kraft versucht, es allen recht zu machen. Warum? Das verrät das Buch. Und auch, was diese Situation aus Lydia mach. Darüber zu schreiben, würde zu viel verraten.
Alle Ereignisse führen (un-mittelbar) schließlich zu Lydias Tod. Und schließlich erfährt der Leser am Ende, was sich in jener Nacht wirklich ereignet hat.

Die Geschichte wird in zwei Zeitebenen erzählt: Die Zeit vor und die Zeit unmittelbar nach Lydias Tod, beginnend in der Kindheit der Eltern, deren Lebensweg umrissen wird, um schließlich zu verstehen, warum sie so handeln wie sie handeln; warum sie Lydia behandeln wie sie es tun und sie sich schließlich zu dem entwickelt, was sie ist bzw. war.
Das Geschehene wird dramatisch erzählt und dabei kein Wort zu viel gesagt – ganz im Gegenteil zu meiner anfänglichen Feststellung. So vieles spielt eine Rolle: Emanzipation, Integration, binationale Abstammung… Eine brisante Kombination mit dramatischem Ausgang? Ob es wirklich so „einfach“ ist, will ich an dieser Stelle nicht verraten. Das Buch muss man schon selbst lesen.