Rezension

Die zerstörerische Macht unausgesprochener Gefühle

Männer sterben bei uns nicht -

Männer sterben bei uns nicht
von Annika Reich

Anlässlich der Beerdigung ihrer Großmutter trifft Luise auf die weiblichen Mitglieder ihrer Familie. Anders als erwartet und der Stellung der Großmutter
angemessen, ist die Beisetzung mehr als schlicht und findet ohne weitereTrauergäste statt.

In Rückblenden wird aus Luises Sicht das Verhältnnis der Frauen zueinander dargestellt. Luise ist aufgewachsen auf einem großen Anwesen am See, bestehend aus fünf Häusern. In dem größten Haus lebte die Großmutter, in drei kleineren Häusern die anderen Frauen der Familie. Nur das fünfte Haus durfte nicht betreten werden. Unumstrittene Herrscherin war die Großmutter, Männer spielten in dieser Konstellation keine Rolle. Luise war der Liebling der Großmutter, allerdings auch nur deshalb, weil sie erwünschtes Verhalten zeigte. Die anderen Familienmitglieder konnten den Anforderungen nicht gerecht werden. Doch anstatt sich zu solidarisieren, begegnen sie einander mit Misgunst und Ablehnung.

Mich hat der Roman sowohl sprachlich als auch inhaltlich beeindruckt. Diese Frauen, die materiell anscheinend nichts vermissen, leben in einer Atmosphäre der Kälte und der Angst, ohne darüber sprechen zu können, geschweige denn sich dagegen zu wehren. Erst spät wird deutlich, welch tiefsitzende Traumata nie bearbeitet wurden.

Das Stilleben mit der angeschlagenen Schale auf dem Cover passt perfekt, weil es für mich sinnbildlich für diese beschädigte Familie steht.

Ein empfehlenswertes Buch für Leser*innen, die eher ruhige und nachdenklich stimmende Literatur mögen.