Rezension

Ein faszinierender, brutaler, harte, bewegender, rasanter Schreibstil

Totenfrau - Bernhard Aichner

Totenfrau
von Bernhard Aichner

Bewertet mit 4 Sternen

Blum ist Bestatterin, die liebevolle Mutter von zwei Kindern und glücklich verheiratet. Doch ganz plötzlich gerät ihr Leben durch einen Unfall ihres Mannes aus den Fugen. Vor ihren Augen wird er überfahren. Der Fahrer haut einfach ab. Alles was sie sich aufgebaut hatte, bricht in diesem Moment zusammen. Sie trauert, weil das Wichtigste in ihrem Leben nicht mehr da ist, ihrer ganzer Halt, ihr Glück. Zufällig findet sie heraus, dass der Tod von Mark scheinbar kein Unfall war und Blum sucht Rache und schlägt zu. Erbarmungslos.
 

Meinung

 
Schreibstil:
Der Schreibstil von Bernhard Aichner ist sehr besonders. Ein Stil, den ich so noch nie gelesen habe. Das Buch besteht nur aus kurzen Sätzen, manchmal sogar nur ein oder zwei Wörter, ziemlich oft die Namen, um die es gerade geht. Das hat stellenweise allerdings genervt, immer wieder Blum. Blum und Mark. Blum. Ansonsten fand ich den Schreibstil einfach wunderbar. Was ganz anderes, was ganz Besonders, klar, hart, brutal, erbarmungslos, temporeich, provokativ und gleichzeitig eingehend und bewegend.
 

„Blum schreit. Lange und laut. Minutenlang ihre Stimme auf der Straße. Ihr Flehen, ihr Bitten, ihr Mund, wie er auf- und zugeht.“ (S. 44)

 
Charaktere und Geschichte:

Heute fasse ich diese Punkte mal zusammen, weil es finde ich kaum anders geht. Denn das wichtigste an diesem Buch ist Blum, eigentlich Brünhilde, und sie ist auch die Geschichte des Buches. Sie ist eine liebenswerte Mutter und Ehefrau und ich fand sie in diesen Momenten sympathisch. Nachdem Prolog hätte ich nicht gedacht, dass sie mir mal sympathisch werden kann, doch schnell lernte man kennen, was sie in ihrer Kindheit alles durchmachen musste.
 

„Wenn sie sich weigerte, sperrte man sie in den Sarg. Unzählige Male, stundenlang im Dunkeln, ein kleines Kind, ängstlich, allein.“ (S. 13)

 
Blum hat mittlerweile ein tolles Leben. Hat es sich erkämpft, ihr Glück, ihren Zufluchtsort, ihren Halt gefunden. Mit Mark. Doch dann stirbt er. Sie findet Tonbandaufnahmen und entdeckt so zufällig das hinter dem Unfall mehr steckt, dass es vermutlich kein Unfall war. Und sie will Rache. Denn Blum hat viele durchlebt und in ihr schlummert eine tickende Zeitbombe, eine Zeitbombe, die nun hochgeht. Erbarmungslos startet sie zu einem Rachefeldzug, ein Rachefeldzug, der stark an Dexter erinnert. Der sogar auch erwähnt wird in diesem Buch.

Blum ist eine starke Protagonistin. Eine außergewöhnliche, grausame und gleichzeitig sympathische Protagonisten. Blum, die ohne diesen Schreibstil nicht funktionieren würde und der Schreibstil, der ohne Blum nicht funktionieren würde. Diese beiden haben aus dem Buch die wahre Kunst gemacht.

Die Handlung fand ich hingegen etwas schwach. Ein typischer Rachefeldzug. Alles läuft etwas zu geschmeidig, mit zu wenig Hindernissen. Das war für mich nicht realitätsnah und dadurch war es stellenweise zu fad.

Doch ich finde, dass Blum und der Stil das wahre Kunstwerk sind, da ist die Handlung eigentlich sogar Nebensache. Entweder man verliebt sich in diesen Stil oder eben nicht. Mit der Wendung am Ende konnte Aichner noch einmal richtig überraschen, ebenso wie mit dem Ausstieg. Das beantwortete mir die Frage, die mich das ganze Buch über brennend interessiert hatte und hat das Buch rund abgeschlossen.
 

„Mit Hagens Motorsäge durchtrennt sie die Knochen, das Blut spritzt, es rinnt in die Wanne, sie saugt es ab, es ist überall, sein Fleisch, sein Fett, sein widerlicher Kopf, den sie einfach absägt.“ (S. 207)

Fazit

Ich musste hier erste einmal eine Nacht schlafen, bevor ich mich entscheiden konnte, wie ich das Buch nun fand. Am Anfang fand ich es richtig super, dann zu krass, zu brutal. Dann zu simpel. Doch schließlich hat für mich der Schreibstil und Blum, diese kunstvolle und einzigartige Kombination überwogen. Eine etwas zu glatte Handlung, aber ein faszinierender Schreibstil, rasant, brutal und gefühlvoll. Somit kann ich doch vier Herzen geben. Ich empfehle allen, erst einmal die Leseprobe zu lesen.