Rezension

Eine Reise in die Provence

Schwarzer Lavendel - Remy Eyssen

Schwarzer Lavendel
von Remy Eyssen

Bewertet mit 4.5 Sternen

Wer sich auf die Atmosphäre der spätsommerlichen Provence und das Lösen eines Kriminalfalls an der Seite eines der charmantesten Ermittler der Kriminalgeschichte einlassen möchte, wird dieses Leseerlebnis lieben.

Der deutsche Rechtsmediziner Dr. Leon Ritter arbeitet und lebt seit einiger Zeit in dem provenzalischen Städtchen Le Lavandue. Ausgerechnet auf dem kleinen Weingut, das ihm Tante Odette gerade geschenkt hat, wird eine Frauenleiche gefunden. Seltsamerweise zeigt sie kaum Verwesungsspuren. Bei der Obduktion stellt Leon fest, dass sie künstlich konserviert worden ist. 

Nach „Tödlicher Lavendel“ nimmt der emphatische, nachdenkliche Ermittler in „Schwarzer Lavendel“ zum zweiten Mal eine gefährliche Spur auf. Umsichtig ist er immer, diplomatisch kann er sein, wenn es nötig ist. Manchmal helfen ihm Visionen weiter, die auf Details hinweisen, wenn er sich in einen Tatort hinein fühlt. Unterstützung erfährt er vor allem von der stellvertretenden Polizeichefin Isabelle Morell, bei der er auch zur Miete wohnt. 

Der Roman lebt in besonderer Weise von seinen Personen. Die sind exzellent ausgearbeitet, agieren durchgängig konsequent und überzeugen durch hohen Wiedererkennungswert. Diese Hilfe ist angesichts der beträchtlichen Anzahl Beteiligter durchaus angenehm. Anspruchsvolle, in besonderen Zusammenhängen auch einfühlsame Dialoge erfreuen beim Lesen. Und wenn hier ein Oscar zu vergeben wäre: Zumindest die fünfzehnjährige Loulou, Isabelles Tochter, wäre als beste Nebendarstellerin eine sichere Kandidatin. 

Die Provence rückt nahe. In der Zeit der Weinernte zeigt sie sich mit eindrücklichen Landschaftsbildern. Die Wärme ist zu spüren, auch die Beschaulichkeit abseits der Touristensaison. 

In scharfem Gegensatz zu all dem steht die Grausamkeit der Verbrechen, die es aufzuklären gilt. Deren Hintergründe sind ebenso wie das Motiv gut erarbeitet. Hinweise fordern den Leser zum Miträtseln auf.

Leider stolpert man an einigen Stellen unerwartet über leichte Ausdrucksmängel wie Wortwiederholungen, die gerade wegen des ansonsten hohen Sprachniveaus auffallen und vermutlich der Übersetzung geschuldet sind. Hier könnte vielleicht noch nachgearbeitet werden.

Zu viel Spannung sollte man nicht erwarten. Wer sich aber auf eine gedankliche Reise in die spätsommerliche Provence und ein Einsinken in ihre wundervoll lebendig dargestellte Atmosphäre einlassen möchte, wird dieses Leseerlebnis lieben.