Rezension

Es brodelt im Rione

Die Geschichte des verlorenen Kindes - Elena Ferrante

Die Geschichte des verlorenen Kindes
von Elena Ferrante

Bewertet mit 4 Sternen

Elena hat sich tatsächlich für Nino entschieden und kehrt seinetwegen zurück nach Neapel. Um ihre Kinder scheint sie sich nicht zu kümmern, ihre Liebschaft und ihre Werke zählen alleine für sie. Es geht hin und her, Elena scheint nie irgendwo anzukommen und so werden die Kinder von einem zum anderen Ort geschubst. Letztendlich setzt Elena aber ihre Scheidung durch und muss auch bemerken, dass Nino treulos ist. In diesem Moment kehrt sie zurück zu Lila in den Rione. Beide sind gleichzeitig schwanger und wohnen nun im selben Haus. Sie unterstützen sich gegenseitig und es sieht nach einem Aufleben ihrer harmonischen Freundschaft aus.

DOCH: Elena wird so unsympathisch dargestellt. Sie dreht sich nur um ihren Liebhaber und ihre Literatur. Die Kinder stehen an letzter Stelle und werden quasi abgeschoben. Ich verstehe sie nicht. Sie beneidet Lila aufs extremste für ihr ungenutztes Talent. Lila hegt eine seltsame Hassliebe für sie, manipuliert sie, wie eh und je, und doch kann und muss Elena an ihr festhalten. Lila ist ihre Muse!! Und nun schreibt sie über die Personen des Rione. Während dort der Krieg herrscht, zwischen Faschisten und den Linken. Viele Personen kommen in diesem Band um. Es gibt sooo viele Anspielungen, wieso und warum, auch der Buchrückentext- und Klappentext deuten auf etwas hin, doch das wird nie geklärt. - Elena veröffentlicht ihr neues Buch und die Fotografin soll Fotos für eine Reportage machen. Sie veröffentlicht Fotos von Elena mit Lilas Tochter Tina, die aber in der Bildunterschrift als Elenas ausgegeben wird. Niemand stellt es richtig.- Menschen verschwinden, die Fälle werden nie aufgeklärt.

Von diesem wahnsinnigen wunderschönen Sprachstil konnte ich in diesem Band nichts wiederfinden, auch der zynische Sprachwitz fehlt. Oft wird erwähnt, dass jemand etwas im Dialekt sagt, aber nicht was. Außerdem werden viele Ereignisse, die man interressant hätte ausbauen können, nur phrasenhaft mit 1-2 Sätzen so dahingeschrieben. Als es ein Erdbeben in Neapel gibt, beginnt Lila plötzlich in surrealistischen Sätzen zu sprechen, die quasi keinen Sinn ergeben. Doch Elena schließt aus ihnen, dass die Solaras mit Drogen dealen und der halbe Rione Drogen nimmt, an denen dann auch der ein oder andere zugrund geht. 

Dieser Band ist vielleicht der politischste, doch konnte ich nicht allen Ereignissen folgen, weil gerade die "innerpolitische" Situation im Rione zwischen den illegalen Geschäften der Solaras und dem IT-Imperium Lilas und Endzos nicht geklärt wird. Doch diese Spannungen haben sehr viele Folgen.

Jahre nach einem tiefen Schicksalsschlag trennen sich Lilas und Elenas Wege wieder, sporadisch haben sie Kontakt und zum Schluss sind wir wieder da, wo die Geschichte in Band 1 angefangen hat und warum sie eigentlich entstanden ist.

Das Buch war dennoch gut zu lesen, doch begeisterte es mich nicht so sehr, wie die Vorgängerbände. So viele Dinge wurden nicht aufgeklärt, wie im echten Leben. Und gerade durch diese Unfassbarkeit und Elenas Geschichte kann Lila zum Mythos werden. Sie, die immer wieder diese Eingaben aus einer scheinbar verborgenen Welt bekommt, wie eine Prophetin, und nie zur Ruhe kommt.