Groschenroman für Fortgeschrittene
Um es gleich zu gestehen: Ich habe schon viele schlechte Bücher gelesen, auch jede Menge deutlich schlechtere als "City of Girls". Aber die qualitativen Defizite eines Romans haben mich noch nie so unvorbereitet getroffen wie in diesem Fall. Schuld daran waren wohl die riesigen Vorschusslorbeeren, die vielen Lobeshymnen und die zahllosen begeisterten Besprechungen, die dieses Buch ausgelöst hatte.
Wie sich nach 488 Seiten zeigte, war (und ist) nichts davon berechtigt. Dieses Buch ist ein ermüdender Versuch launig erzählter Langeweile. Der als Briefroman erzählte Plot funktioniert aus meiner Sicht nicht, die Figuren, besonders die Frauen, sind eher Karikaturen als Menschen und die "Auflösung" am Schluss ist eine einzige Enttäuschung.
Und was wurde auf dem Cover und in den Klappentexten nicht alles versprochen:
Ein betörender Mix aus Charme und Witz
Das Porträt einer Frauenfreundschaft
Ein emotional scharfsinniges Fest der Weiblichkeit
Und was bekam ich? Einen Versuch launig geschriebener Langeweile, einen kalkulierten Möchtegern-Tabubruch mit Bestseller-DNA auf dem literarischen Niveau von „Sex in the City“ oder „50 Shades of Grey“, will heißen auch in vielerlei Hinsicht ein Tiefpunkt, nein ein kalter und menschenloser Marianengraben.
Die Hauptfigur, Vivian Morris, ist eine unerträglich oberflächliche, verzogene, ungebildete Göre. Und wäre all dies nicht schon schlimm genug, erzählt Autorin Elizabeth Gilbert Vivians unsinnige Untaten in einem (zugegeben: eleganten) Plauderton, dass man meint, selbst, wenn Vivian einen Mord begehen würde, wäre das alles nicht so schlimm, weil sie ja nur ein kleines, niedliches Dummchen ist, das irgendwie in ein Unheil gestolpert ist.
Wäre es nicht völlig verrückt, man könnte zu der These kommen, genau der Typ solcher Frauen bringt Söhne vom Schlage eines Donald Trump zur Welt, denn sie ist nichts anderes als die weibliche Ausprägung eines narzistischen, egozentrischen, verantwortungs- und skrupellosen Menschen.
Wäre das Buch der „Pilot“ einer TV-Serie, für mich hätte es die Serie gar nicht erst geben müssen. Dass das Buch in den USA dennoch hymnisch gefeiert und ein Bestseller wurde, macht die Peinlichkeit nicht eben kleiner!
Das Ganze ist sensibel wie Mario Barth, feinfühlig wie Fips Asmussen und herzerwärmend wie Hundehaufen in Manhatten. „City of Girls“ ist nicht mehr als ein kitschiger Groschenroman für Fortgeschrittene.
Kommentare
wandagreen kommentierte am 22. Juli 2020 um 11:44
:DDD
lesesafari kommentierte am 22. Juli 2020 um 13:02
;D Wunderbare Rezi.
Zum Glück ist es nur eine Fiktion in der Manier von Eat.Pray.Love.
Klingt jedenfalls so.