Rezension

Guter Auftakt

Die Wintergarten-Frauen. Der Traum beginnt -

Die Wintergarten-Frauen. Der Traum beginnt
von Charlotte Roth

In ihrer neuen Trilogie entführt Charlotte Roth den Leser in das Berlin der 1920er Jahre. Die Stadt taumelt in diesen Jahren zwischen beiden Weltkriegen von einem Extrem ins andere. Auf der einen Seite wird gefeiert, bis die Lichter ausgehen. Der Champagner fließt in Strömen, die Nächte werden durchgetanzt. Wer es sich leisten kann, macht die Nacht zum Tag und feiert das Leben. Auf der anderen Seite dagegen herrscht große Note und Hunger durch die voranschreitende Entwertung des Geldes. Viele wissen nicht, ob sie am nächsten Tag noch ein Dach über dem Kopf haben oder etwas zu Essen auf dem Tisch.

Diese verschiedenen Stimmungen hat Charlotte Roth wirklich eingefangen. Quirlig und auch mitunter temporeich wird die Geschichte erzählt. Manchmal muss man als Leser wirklich einmal pausieren und tief Luft holen, weil es etwas sehr zügig vorangeht.

Ihre Figuren finde ich größtenteils gelungen und gerade die Familie von Veltheim kann da mit ein paar besonderen Exemplaren aufwarten. Sei es die naive aber absolut herzensgute Tante Sperling oder die pragmatische und nüchtern erscheinende Oma Hulda – beide haben mich auf ihre eigene Art gleich um den Finger gewickelt. Auch die vielen kleinen Nebenfiguren aus Ninas Kompanie finde ich toll. Jede kommt mit ihren eigenen Träumen und Sorgen zu Wort und es macht die Geschichte dadurch erst richtig komplett.

Nur mit Nina werde ich leider nicht so richtig warm. Ihr Tempo, mit dem sie ihre Mitmenschen regelrecht überfällt, in dem sie lebt und spricht und ihre Ideen entwickelt, empfand ich teilweise als ein wenig überrollend. Sie betrachtet sich als moderne Frau, hat aber (zunächst) eigentlich keine konkreten Vorstellungen, was dies bedeuten soll. Und so wiederholt sie diese Floskel so häufig, dass es mit der Zeit ungläubig auf mich wirkt. Sie ist so versessen darauf, unabhängig von Männern zu leben, dass sie völlig übersieht, wann Hilfe von einem Mann auch angenommen werden kann ohne das ihre Position als Frau untergraben werden soll. Das artet bei ihr schon fast in eine Art Manie aus. Zwei Punkte, die mich ehrlicherweise sehr genervt haben.

Im Mittelteil hat das Buch die eine oder andere Länge. Das finde ich aber verschmerzbar, denn es ist der Auftakt einer Trilogie und der Leser soll möglichst umfangreich an das ganze Setting und die Figuren herangeführt werden. Es gibt viele kleine Episoden, die die ganze Geschichte sehr herzlich machen und die Zerrissenheit der Menschen in dieser Epoche auch widerspiegeln. Es lässt sich toll lesen, man wird prima unterhalten und lernt eine besondere Zeit in Deutschland ein bisschen besser kennen.