Rezension

Kleines Buch mit großer Wucht

Der ehrliche Finder
von Lize Spit

Jimmy verbringt die dröge Zeit der Sommerferien mit Sammeln und Suchen. Er versteht sich als ehrlicher Finder und sucht die Automaten des Ortes nach vergessenem Wechselgeld ab, damit er sich damit diverse Chipssorten kaufen kann, in denen seine heißgeliebten Flippos drin sind. Er hat eine wichtige Mission, denn er sammelt nicht nur für sich selbst, sondern auch für seinen Freund, dessen Eltern sich nur die No-Name-Chips leisten können. Denn Jimmys Freund Tristan ist eines von acht Kindern der albanischen geflüchteten Familie Ibrahimi. Als der Asylantrag der Ibrahimis abgelehnt und sie zur Ausreise aufgefordert werden, fassen die Kinder einen Plan ...

Diese Geschichte mit ihren nicht einmal 130 Seiten zieht einen mitten hinein in die tragische Geschichte einer ungleichen Freundschaft. Jimmy war Außenseiter bis Tristan in die Klasse kam. Tristan konnte kein Wort der neuen Sprache und kannte sich in Belgien nicht aus. So gibt diese Freundschaft den beiden Kindern unterschiedliche Dinge und mit unterschiedlichen Motiven sind sie nun Teil dieses Plans, der die Abschiebung der Ibrahimis verhindern soll. Eindringlich zeigt die Autorin in kleinen, wenig voyeuristischen oder sensationsgierigen Szenen, wie Krieg und Flucht alle Mitglieder der Familie geprägt haben. Aber auch die unbändige Hilfsbereitschaft des Ortes wird spürbar, von einer Bevölkerung, die die Abschiebung nicht hinnehmen will. Vor allem Jimmys Innenleben wird hier beleuchtet und die Hoffnungen, die er in die Freundschaft steckt, denn viel anderes hat er nicht. Durch ihn erlebt man die Familie und mit welchen Traumata sie zu kämpfen haben. Eine Geschichte, die ganz nah dran ist an der Lebensrealität zahlreicher Familien in Europa. Für mich ist es aber auch eine Geschichte, die durchaus hätte länger sein können. Sie verfehlt ihre emotionale Wirkung nicht, hätte aber noch stärker wirken und einen noch tiefer hineinziehen können. Gerade das sehr abgekürzte Ende lässt die Geschichte noch etwas skizzenhaft wirken. Insgesamt zeigt die Autorin aber ein weiteres Mal, dass sie sehr gut schreiben und ein Thema tiefgründig und menschlich vermitteln kann.