Rezension

Leseempfehlung – aber bitte Klappentext nicht vorher lesen!

Der Zopf - Laetitia Colombani

Der Zopf
von Laetitia Colombani

Bewertet mit 4 Sternen

In „Der Zopf“ werden die Geschichten von drei Frauen aus Italien, Indien und Kanada erzählt. Ihre Leben könnten nicht unterschiedlicher sein: Giulia ist Tochter des Besitzers der letzten sizilianischen Perückenmanufaktur, Smita wühlt als Mitglied der untersten Gesellschaftsschicht mit ihrer Familie im wahrsten Sinne des Wortes tagtäglich im Dreck und Sarah ist erfolgreiche Powerfrau und Topanwältin. Ihre Charaktereigenschaften verbinden die Frauen jedoch, sie sind alle auf positive Weise starrsinnig, stark und selbstbewusst und versuchen, mit den ihnen auferlegten Regeln zu brechen und die Schicksalsschläge, die sie erleiden, zu überstehen.

Doch nicht nur das verbindet die Frauen, sondern noch etwas anderes, was dem Leser zwar nach circa zwei Dritteln des Buches vermutlich schon klar ist, aber dennoch eine geniale Idee der Autorin ist und das Buch zusätzlich lesenswert macht. Neben „normalen“, alltäglichen Problemen werden in dem Buch auch gesellschaftskritisch die Zustände in Indien beschrieben, bei denen man sich gar nicht vorstellen möchte, dass es die bittere Realität ist. Doch auch andere wichtige Themen finden ihren Platz, so dass das Buch einen nachdrücklichen Eindruck hinterlässt und man sich nur schwer von der Geschichte distanzieren kann und möchte. Dies mag alles klingen, als wäre das Buch sehr tragisch. Natürlich gibt es diese Elemente, aber es hat auch viel Kraft, Hoffnung und Freude. Kurzum: alles, was man sich wünscht in einem Buch.

Während man das Buch liest, fühlt man sich sofort mit jeder der drei Frauen verbunden. Die Autorin schafft es, dass die gesamte Gefühlswelt dem Leser offenbart wird. Jeder Schicksalsschlag trifft den Leser ebenso ins Herz, wie jeder Triumph der Charaktere Freude auslöst. Auch wenn das Buch nicht sonderlich dick ist, so hat es doch alles, was ich mir von einem Roman erhoffe und kann deswegen eine Leseempfehlung aussprechen.

Doch was mich enorm gestört hat, ist, dass hier wieder einmal ein Klappentext vorliegt, der eigentlich alles vorweg nimmt, was man an dem Buch faszinierend finden kann. Ich persönlich habe ihn gar nicht aufmerksam gelesen, sondern habe mich von einer Leseprobe faszinieren lassen. Darüber bin ich jetzt sehr froh, denn so hatte das Buch eine gewisse Restspannung, auch wenn man selbst ohne Klappentext erahnen konnte, in welche Richtung das Ganze gehen würde. Ich finde es unglaublich frustrierend, wenn gerade bei einem so kurzen 288seitigen Buch, für das man 20 Euro als Hardcover zahlen soll, doch schon so viel verraten wird – da hat sich der Verlag einfach meiner Meinung nach nicht genug Mühe gegeben, denn es wäre sicher möglich, diese Verwicklungen einfach anzudeuten und nicht schon fast explizit zu erklären. Diesen Kritikpunkt möchte ich (auch wenn er mich nicht betroffen hat und ich es quasi erst nach dem Lesen bemerkt habe), nicht unter den Tisch kehren und muss deswegen Punkte abziehen.