Rezension

Drei Frauen erhalten ihre Würde zurück

Der Zopf - Laetitia Colombani

Der Zopf
von Laetitia Colombani

Bewertet mit 5 Sternen

Smita aus Badlapur/Indien will unbedingt, dass ihre Tochter Lalita es einmal besser hat und zur Schule gehen kann. Die Familie gehört zur Kaste der Unberührbaren. Sie sind rechtlos und werden für ehrliche Arbeit mit Almosen abgespeist. So steckt der Lehrer das Bestechungsgeld von Smita ein, nur um Lalita bei der ersten Gelegenheit das Klassenzimmer kehren zu lassen. Doch Smita setzt sich mit unerwarteter Härte durch, um für ihre Tochter den Schulbesuch zu erkämpfen.

Guilia aus Sizilien wächst in einer Perückenmanufaktur auf und ist plötzlich mit der Verantwortung für die Firma konfrontiert. Ihre Begegnung mit einem Sikh, der nach Italien flüchten konnte, bringt für sie und ihre Arbeiterinnen eine überraschende Wende.

Sarah aus Montreal hat bisher verdrängt, dass sie als aschkenasische Jüdin ein besonders hohes Risiko für erblich bedingte Krebserkrankungen aufweist. Als Karriere-Anwältin und allein erziehende Mutter steht Krankheit nicht auf ihrer Tagesordnung und sie beschließt, ihren Zustand so gut wie möglich zu verheimlichen. Nur keine Angriffsfläche zeigen, sonst kann sie ihre Karriere als Nachfolgerin des Seniorchefs vergessen.

Die drei Frauen aus drei verschiedenen Kulturen scheinen sich jede in einer anderen unlösbaren Situation zu befinden. Allen dreien gelingt ein erster Schritt aus einer Sackgasse ohne Ausweg. Die Frauen begegnen sich nicht und doch sind ihre Schicksale durch Smitas lange Haare, die Perückenmanufaktur und Sarahs Krebserkrankung miteinander verknüpft.

Hinter einem eleganten golddekorierten Buchcover verbergen sich drei einfache, zeitlose Geschichten, die ganz nebenbei tiefen Einblick in die unterschiedlichen Kulturen und ihre Frauenrollen geben. Mit Vaterrolle, Mutterliebe, Gottvertrauen, Flutwelle und Verantwortung bedient Laetitia Colombani mächtige Symbole, um Schicksale von gewaltiger Wucht zu erzählen. Ihre Figuren erhalten ihre Würde zurück – und das macht Columbanis Roman zu einem besonderen, ermutigenden Buch.