Rezension

Merkwürdiger Anfang und abgehacktes Ende, sonst wirklich gut

Die Bestimmung 01 - Veronica Roth

Die Bestimmung 01
von Veronica Roth

Klappentext:
Fünf Fraktionen, fünf völlig verschiedene Lebensformen sind es, zwischen denen Beatrice, wie alle Sechzehnjährigen ihrer Welt, wählen muss. Ihre Entscheidung wird ihr gesamtes künftiges Leben bestimmen, denn die Fraktion, der sie sich anschließt, gilt fortan als ihre Familie. 
Doch der Eignungstest, der über Beatrices innere Bestimmung Auskunft geben soll, zeigt kein eindeutiges Ergebnis. Sie ist eine Unbestimmte, sie trägt mehrere widerstreitende Begabungen in sich. Damit gilt sie als Gefahr für die Gemeinschaft.
Beatrice entscheidet sich, ihre bisherige Fraktion, die Altruan, zu verlassen, und schließt sich den wagemutigen Ferox an. Dort aber gerät sie ins Zentrum eines Konflikts, der nicht nur ihr Leben, sondern auch das all derer, die sie liebt, bedroht…

Einordnung:
- Die Bestimmung (Teil 1)
- Die Bestimmung: Tödliche Wahrheit (Teil 2)
- Die Bestimmung: Letzte Entscheidung (Teil 3)

Rezension:
Der Einstieg in die Geschichte ist mir ein wenig schwer gefallen. Teilweise liegt das an der Tatsache, dass das Buch im Präsens geschrieben ist. Da das kaum vorkommt, ist es jedes Mal wieder gewöhnungsbedürftig. Zum Teil sind dafür aber auch die Gewohnheiten der Altruan verantwortlich, deren Mitglied Beatrice ist, sodass bereits zu Beginn deren Lebensart relativ ausführlich wiedergegeben wird. Es ist befremdlich, über das Leben von Menschen zu lesen, denen es verboten ist, in den Spiegel zu schauen, die ihre Schönheit verstecken müssen und die gezwungen sind, ihre eigenen Bedürfnisse immer hinten anzustellen und freiwillig die schwersten Arbeiten zu verrichten. Vor allem, solange noch unklar ist, wie die restliche Welt aussieht, in der die Geschichte spielt.

Glücklicherweise haben sich die Probleme bald gelegt, denn die Geschichte kommt schnell ins Rollen und es werden viele verschiedene Charaktere eingeführt. Die Protagonistin ist Beatrice Prior, die als Ich-Erzählerin das Geschehen wiedergibt. Obwohl ich es weder mit Protagonisten noch mit weiblichen Charakteren sehr habe, ist sie mir wirklich sympathisch. Der Identitätskonflikt, in dem sie steckt, da sie nicht weiß, für welche Fraktion sie sich entscheiden soll, ist einfühlsam beschrieben. Auch der Test, der ihre Eignung ermitteln soll, liefert mehrdeutige Ergebnisse und identifiziert sie als eine Unbestimmte. Ihr bleibt also nichts anderes übrig, als sich frei zu wählen. Und das tut sie entsprechend ihres Charakters, ihrer Wünsche und Wertvorstellungen, denen sie die ganze Geschichte über treu bleibt.Mir persönlich gefällt die Entscheidung, die sie trifft, wirklich sehr, denn ich hätte die gleiche Wahl getroffen. Da Beatrice eine Ich-Erzählerin ist, werden nur ihre Erlebnisse geschildert. Einen Einblick in das Leben und die Aufnahme die Fraktion gibt es somit nur von der von ihr gewählten Fraktion. Das ist nicht ausschlaggebend dafür, ob die Geschichte als gelungen empfunden wird, doch es trägt mit Sicherheit seinen Teil dazu bei – bei mir in positiver Weise.

Beatrice ist allerdings nicht der einzige Charakter, der sich selbst treu ist. Alle Charaktere, die nicht bloß einen Kurzauftritt haben, werden detailliert einführt und bekommen dadurch eine Tiefe, die es möglich macht, sie zu lieben oder auch zu hassen. Four, beispielsweise, denkt vorausschauend, verfügt über eine große Selbstbeherrschung und ist in jeder Situation in der Lage, so zu handeln, dass es für ihn und die Menschen, die ihm wichtig sind, nützlich ist, so sehr er sich in Moment der Handlung auch dafür verachtet. Peter dagegen ist eine völlig eigennützige Figur, die andere zu manipulieren weiß und selbst um jeden Preis an erster Stelle stehen will.
Dass die meisten Charaktere so weit eingeführt werden, dass der Leser Gefühle mit ihnen in Verbindung bringen kann, sorgt außerdem dafür, dass die Geschichte unheimlich packend wird, denn die Autorin geht nicht gerade sparsam mit ihren Charakteren um. Eine ganze Menge Charaktere sterben im Verlauf des Buches, sodass es viele Situationen zum Mitleiden gibt, denn natürlich erwischt es nicht immer nur die Bösen. Es ist überraschend, wie schnell die Figuren verheizt werden, aber dadurch entwickelt das Buch insofern ein Eigenleben als dass es eine wichtige, eigenständige Geschichte ist und nicht bloß zur Vorbereitung auf den finalen Teil dient.

Spannung kommt aber auch ohne die zahlreichen Todesfälle auf. Das Buch bietet eine Fülle von überraschenden Wendungen und Offenbarungen. Jedes Mal, wenn eine dramatische Situation geklärt ist, passiert erneut etwas Unvorhergesehenes, wodurch die Spannung wieder in die Höhe getrieben wird. Doch es wirkt nicht unrealistisch und überreizt die Nerven auch nicht, denn oft ist dieses neue Ereignis eine direkte Folge des vorher gelösten Problems, über die sich die Charaktere nicht im Klaren gewesen sind.

Nicht besonders gelungen finde ich dagegen das ziemlich abgehackte Ende des Buches. Es bricht mitten in der Szene ab und hat bloß noch neun Zeilen als eine Art Epilog hinten dran gehängt, der aber nicht wirklich irgendwelche noch offenen Fragen beantwortet und genauso gut weggelassen werden könnte. Meine Empfehlung lautet daher, das Buch nur zu lesen, wenn man den zweiten Teil schon zur Hand hat, ansonsten lässt einen die Geschichte einfach mitten in der Luft hängen.

Fazit:
Sowohl der Anfang als auch das Ende des Buches sind nicht optimal gelungen. Dafür stimmt der Rest vollständig. Die Charaktere sind vielschichtig und bleiben sich treu. Dadurch lösen die zahllosen Todesfälle im Verlauf der Geschichte beim Leser dieselben Emotionen aus wie bei den anderen Charakteren. Außerdem ziehen sich verschiedene Spannungsbögen durch die Geschichte, die kaum Luft zum Atmen lassen. Insgesamt bekommt „Die Bestimmung“ deshalbvier Schreibfedern von mir.