Rezension

Nichts Halbes und nichts Ganzes

Einfach alles! - Christopher Lloyd

Einfach alles!
von Christopher Lloyd

Bewertet mit 3 Sternen

Dieses Buch bescherte mir eine ganze Bandbreite von Gefühlen: begonnen bei Faszination und Begeisterung bis hin zum anderen Ende der Empfindungen mit Verärgerung, Kopfschütteln und Genervtheit. So schwankte ich auch immer wieder zwischen einer Bewertung mit einem oder fünf Sternen. Also habe ich mich für die goldene Mitte entschieden.

 

Um es schon einmal auf den Punkt zu bringen: Christopher Llloyd hat sich mit seinem ehrgeizigen Ziel ein Buch über „Einfach alles“ zu schreiben meiner Meinung nach einfach übernommen. Dazu kommt ein lustloses Lektorat und, wie ich vermute, ein Übersetzer ohne Fachwissen. Schon nach wenigen Seiten war ich von den vielen Rechtschreibfehlern im Buch einfach nur noch genervt. Dass es in einem Buch mit diesem Umfang zu Fehlern kommt, bemängelt sicher niemand. Dass sich Fehler aber derart häufen, wie in „Einfach alles“, geht gar nicht. Als nächstes ärgerten mich fachliche Ungenauigkeiten und Umgangssprache anstatt korrekter Bezeichnungen. Das geht mit „Stundenkilometern“ statt „Kilometer pro Stunde“ los und endet bei flapsigen Behauptungen, man könne durch die Linse eines Rasterelektronenmikroskops schauen. Ja, dass ist Umgangssprache. Aber so etwas stört mich gewaltig in einem „Fachbuch“, oder doch zumindest einem „Wissensbuch“, das Fakten vermitteln möchte.

 

Am meisten stören mich aber tatsächlich die fachlichen Fehler, Ungenauigkeiten oder Unterschlagungen. Es beginnt quasi schon auf der ersten Seite: hier wird der Urknall erklärt und mit einer großformatigen Zeichnung illustriert. Darauf zu sehen: eine große Explosion, aus der fertige Galaxien geschleudert werden. Das ist so weit von der tatsächlichen Urknalltheorie entfernt, wie nur möglich! Ja, in einer kleinen Bildunterschrift wird erwähnt, dass es nur eine künstlerische Darstellung ist und „sich das Ganze über Milliarden von Jahren erstreckte“. Aber der Leser sieht nun einmal diese riesige Darstellung und die setzt sich im Gedächtnis fest. Weiter geht es im Kapitel zwei, in dem Mykorrhiza als Prozess bezeichnet wird. Weiteres Beispiel? Im 8. Kapitel wird Eratosthenes erwähnt, der als erster den Erdumfang berechnete. Laut Buch „mit nichts anderem als einem Stab, einem Brunnen und einem Schatten“. Das er nebenbei auch noch die nicht unerhebliche Angabe über die Entfernung zwischen zwei Städten ausmessen musste wird unterschlagen. Oder es werden Theorien als Tatsachen dargestellt: ebenfalls 1. Kapitel: die Entstehung des Mondes. Die Kollisionstheorie in der zwei Proto-Planeten kollidierten und verschmolzen, wird lang und breit erklärt (wenn auch hier wieder ungenau – das ins Weltall geschleuderte Material als „Staubwolke“ zu bezeichnen, ist schon interessant…). Das es aber noch jede Menge andere Theorien zur Entstehung des Mondes gibt, wird einfach verschwiegen.

 

Natürlich muss es in so einem dicken Wälzer mit einem so großen Thema – schließlich soll ja „alles“ erklärt werden – auch Kürzungen und Lücken geben. Aber dass geht mir in diesem Buch dann doch zu weit. Ich kenne mich nun in den Naturwissenschaften leidlich aus und konnte daher die oben angesprochenen Mängel erkennen. Geschichte dagegen ist für mich ein weißes Blatt. Welche Fehler Herr Lloyd hier eingebaut hat, kann ich also nicht einmal ahnen. Aber nachdem es schon am Anfang zu so vielen Ungenauigkeiten kommt, befürchte ich da ähnliches.

 

Warum ich trotzdem 3 Sterne vergebe? Weil das Buch tatsächlich Spaß macht, wenn man über die Fehler hinwegsieht. Es ist spannend geschrieben. Die an einen Comic erinnernden Illustrationen, die Fotos und Abbildungen sind eine Pracht. Auch die farbliche Absetzung der einzelnen Kapitel am seitlichen Buchschnitt sind toll und helfen bei der Orientierung und zeitlichen Einteilung. Christopher Lloyd schafft es mit seinem Buch tatsächlich auch Geschichtsmuffel für die Historie zu begeistern. Dabei geht er natürlich nirgends sehr in die Tiefe – bei so einem großen Zeitraum, den er beschreibt, wohl auch kaum möglich. Und doch ist man nach der Lektüre des Buches ein bisschen schlauer.

 

Für wen eignet sich „Einfach alles“ nun? Ich denke, wirkliche Geschichtsbegeisterte haben hier eher nur einen kurzen Spaß, ist doch alles eher oberflächlich beschrieben. Auch muss man sich mit dem Schreibstil des Autors anfreunden, den ich mal als „flapsig“ bezeichnen würde. Lloyd schreibt sehr locker und duzt den Leser. Gerne in Sätzen wie „erinnerst du dich“, „weißt du noch“ oder „stell dir vor“. Oft kam bei mir der Gedanke auf, dass die eigentliche Zielgruppe des Buches eher Jugendliche im Alter von 10 bis 18 Jahren sind. Wen dieser Schreibstil aber nicht stört, wer einen groben Überblick über die Erdgeschichte und Historie sucht, der wird mit „Einfach alles“ wohl glücklich werden.