Rezension

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Primitiv, unglaubwürdig, langweilig

Morgen früh, wenn du willst - Tania Carver

Morgen früh, wenn du willst
von Tania Carver

Bewertet mit 1.5 Sternen

Ein primitives Werk mit unglaubwürdigen Figuren, klischeehaften Konflikten, makabren Details und dem Versuch der Gesellschaftskritik. Gähn.

Auf der Suche nach den Autoren, dessen Werke ich in Reihe lesen könnte, habe ich auch diesen „Thriller“ zu Gemüte geführt. Ich wünschte, ich hätte es sein gelassen.

Gesamteindruck: (zu) primitiv. Die Handlungsmotive erschienen mir zu oberflächlich und kaum zum Hintergrund der Figuren passend, hanebüchen auf der gesamten Länge. Klischee-Konflikte, die es zu viele in dieser Geschichte gibt, haben dem Ganzen den Rest gegeben.

Vor allem Marina, eine der Hauptfiguren, war die Unglaubwürdigkeit in Person über zwei Drittel der Gesamtlänge. Wenn sie nicht den Hintergrund hätte, der ihr angedichtet wurde, wäre es noch evtl. denkbar, dass sie sich wie ein Teenager benimmt und die Konflikte hervorruft, auf denen diese Geschichte basiert. Aber für eine studierte Psychologin, die in der Praxis genug mit psychisch Gestörten zu tu hatte und normalerweise wissen müsste, wie man mit solchen umgeht, ist ihr Verhalten schlicht und einfach an den Haaren vorbeigezogen und lediglich dazu da, um die fadenscheinigen Konflikte in Gang zu setzen und diese dann im Laufe des „Thrillers“ auszuschlachten. Somit steht das ganze Werk auf sehr wackeligen Beinen.

Zu gewollt erschien mir der Konflikt zwischen Marina und Hugo. Der Witz hier ist: erst benimmt sich Marina wie ein Teenager, dann plötzlich übernimmt Hugo die Rolle des unbeholfen Dummen, ungeachtet dessen, dass er ganz anders zu Anfang dastand. Als ob die beiden diese Rolle unter sich getauscht hätten. Auch Hugos Begründung, was er für ein Problem mit Marina hätte, erschien mir deutlich an den Haaren vorbei gezogen. Sein Verhalten insgesamt, seine Lasten – pures Klischee, wie z.B. Die Geschichte mit Maddy, wie der Strang Hugo-Maddy insgesamt. „In ihr tobte der Sturm der Gefühle.“ S. 310. Woanders gab so etwas schon mal deutlich besser.

Einer der Bösewichte, die Ausführungskraft, kam mir schon im ersten Drittel zu konstruiert vor: schlicht böse, weiter nichts. Den Erzählberichten des Erzählers nach zu beurteilen, sollte er längst abgestumpft sein und auf keine Fetische mehr reagieren. Aber da sollte doch eine Auflösung her. Und diese ist einfach zu gewollt, hpts. dazu da, um das Publikum zu beeindrucken.

Zu viele Erzählperspektiven haben auch nicht gerade die Lage gerettet. Nicht nur die Hauptfiguren, sondern auch etliche Randerscheinungen, wie z.B. die Opfer, die sonst keine große Rolle spielten und eher kurz auftauchten, haben ihre banalen Lebensgeschichten erzählen dürfen. Langweilig. Diese Stimmen unterschieden sich im Ausdruck und Stil kaum voneinander. Und alle insgesamt glichen sie zu sehr dem allwissenden Erzähler.

Es wurde auch aus der Perspektive von Phil und Marina erzählt. Hier kam oft diese abartige Manier ans Licht, eine und dieselbe Begebenheit aus mehreren Perspektiven vor Augen der Leser auszubreiten. Diese Wiederholungen, die das Ganze schlicht aufblähen, ließen mich mehrmals das Buch in die hintere Ecke befördern. Z.B. Ein Mord wird aus der Sicht des Mörders erzählt, dann etwas später findet die Polizei die Opfer und „das Vergnügen“ geht mit noch mehr Einzelheiten vor vorne los. Oder Kap. 42 wird aus Marinas Perspektive Erzählt im verzweifelten Versuch, etwas Spannung in die Geschichte einzubauen. Wobei man es gerade aus Phils Perspektive erfahren hat. Ergebnis: Die Handlung stockt, die Spannung bleibt bei null und was machen die Autoren? Sie befleißigen sich in der zigsten Weiderholung der makabren Einzelheiten. Ein kläglicher Versuch, die Leser zu beeindrucken. Ich musste dabei an zu Halloween verkleideten Gestalten denken, die aus ihrem Versteck hervorspringen und „Buuh“ rufen.

All diese Details, die zu Anfang mit viel Brimborium inszeniert wurden und sich dann später in regelmäßigen Abständen wiederholten, ermüdeten mich schlicht und einfach. Es geht insb. um BDSM Praktiken unter Transvestiten, Kannibalismus, vorsätzlichen Mord als Sterbehilfe. Überhaupt, scheinen diese Themen schwer in Mode in dem Genre zu sein. Zu viele Werke aus der Krimi/Thriller Abteilung habe ich in der letzten Zeit gelesen, die ohne diese gar nicht auskommen können/wollen.

Was ich gut fand: a) Gesellschaftskritik, die man in Phils Rede klar ausgesprochen findet: „Alles ist am Arsch. Das System ist am Arsch. Aber dann können wir doch wenigstens unseren Job machen und versuchen, wenigstens einen kleinen Teil davon zu verbessern.“ Die Antwort seines Kollegen erschien mir schon etwas komisch: „Das werden wir auch…, aber eben streng nach Vorschrift.“ S. 411. Auch im Strang um den korrupten Polizisten, wie in der Hintergrundgeschichten des Killers und der Opfer steckt jede Menge davon; b) Selbsterkenntnis und der plötzliche emotionale Wachstum von Maddy, dem ewigen Opfer. Sie vollführt Befreiung im doppelten Sinn. Zumindest diese Figur hat sich im Laufe der Geschichte geändert und man kann diese Änderung anhand von gelieferten Bildern und Handlungen durchaus nachvollziehen.

Dieser gute Eindruck wird leider nivelliert durch die Botschaft der Rache als etwas Erstrebenswertes, Gerechtes wie Befriedigendes zum Schluss. Die beiden Frauen suhlen sich in der Schadensfreude. Falsche Signale werden hier an die Leser vermittelt.

Fazit: Ein primitives, nachlässig konstruiertes Werk mit vielen makabren Details – ein Versuch, Eindruck zu schinden. Der Anspruch auf raffinierten Psycho-Triller ist aber leider bei einem unzureichend eingelösten Versprechen geblieben.