Rezension

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Romantasy im vermeintlichen Sci-Fi-Gewand

Star Bringer -

Star Bringer
von Tracy Wolff

Bewertet mit 2 Sternen

Sci-Fi muss für mich persönlich nicht immer mit komplexer Technik, durchdachten und detaillierten Beschreibungen von Raumschiffen oder Physik lastigen Erklärungen der Umgebung zu tun haben. Ja, ich bevorzuge solche ausgeklügelten Geschichten und finde es grandios mitzubekommen, welche Gedanken sich Autor:innen gemacht haben. Aber es MUSS nicht jedes Sci-Fi Buch so sein, es kann auch ab und an einfach eine spannende Geschichte mit unserem oder einem fremden Weltall als Handlungsort sein. 
Was ich dann nur auch erwarte ist, dass sich die Autor:innen dann trotzdem spürbar Gedanken um diesen Handlungsort gemacht haben und es nicht einfach eine x-beliebige, austauschbare Geschichte ist, die als Setting nur ein nettes, neues Gewand übergestülpt bekommen hat. 
Leider war das hier aber genau der Fall. Betrachtet man nämlich einmal nur unseren Planeten, so fällt (zum Glück!) die Fülle an Kulturen und Sprachen auf. Dehnt man dies nun einmal auf ein ganzes, bevölkertes Universum aus, muss es einfach unzählige Variationen, Lebensarten, Gebräuche und Kulturen geben. Wer dies wirklich mit viel Feingefühl umgesetzt hat, ist Becky Chambers, deren Bücher ich an dieser Stelle wirklich uneingeschränkt empfehlen kann. Für mich fühlte es sich in diesem Buch einfach nach Faulheit der Autorin an, dass merkwürdiger Weise es eine allgemein gültige Sprache gibt, die alle sprechen und verstehen. Auf fast 700 Seiten hätte man auch einfach drei Absätze für ein Gerät unterbringen können, dass die verschiedenen Sprachen übersetzt. Aber das wäre ja leider mit Worldbuilding verbunden und dass die Autorin dies nicht kann, hat sie ja schon mit ihrer Crave-Reihe bewiesen. Mini-Rant over. 

Abgesehen vom Worldbuilding fand ich das Hörbuch wirklich in Ordnung. Es ist keine Geschichte, die mich total vom Hocker gerissen hat und die mir lange in Erinnerung bleiben wird, aber ich habe mich immer drauf gefreut, das Hörbuch hören zu können und den Charakteren auf ihrer Reise weiter zu folgen. Das Buch fällt für mich eindeutig in die Kategorie „kann man mal mitnehmen, muss man aber nicht“. 

Die Charaktere waren ok. Ich fand sie alle weder sympathisch, noch total unsympathisch. Sie sind nur echt unglaublich klischeebeladen, aber nach Crave habe ich um ehrlich zu sein auch nichts anderes erwartet. 
Da wäre die Prinzessin, die nur an schöne Kleider denkt und schockiert ist, wenn sich nicht an die Etikette gehalten wird. Der Draufgänger, der der geborene Anführer-Typ ist, eine tragische Vergangenheit hat und sowieso unnahbar, verdammt attraktiv und brutal ist. Der beste Freund von ihm, der ein Sonnenschein ist und natürlich alle Frauen bezirzen kann. Eine Priesterin, die die Unschuld vom Lande ist, aber eigentlich den Zwängen ihrer Position ausbrechen möchte. Das weibliche Gegenstück zum Draufgänger, böse, mit spitzer Zunge und gefährlich. Ach ja und zwei eher unwichtige Typen, aber es braucht schließlich einen mit Grips, der das Raumschiff reparieren kann und die Priesterin braucht einen Leibwächter. 
Tada, schon ist die Crew komplett.
 Ahh und natürlich werden sie von jeder großen Instanz des Universums gejagt, aber zum Glück ist ihr Raumschiff irgendwie magisch und Bibbidi-bobbidi-boo entkommen sie aus jeder noch so aussichtslosen Lage. 
Was mir hingegen wirklich gut gefallen hat, war die Einbindung von queeren Charakteren in die Geschichte. 

Ich tendiere dazu, Liebesbeziehungen, wenn sie in mir keine Gefühle wecken, einfach zu überlesen und dadurch auch nie zu kommentieren. Fast wäre dies mir hier auch passiert. Dabei fand ich den Anfang und die ersten Gefühle gar nicht mal schlecht beschrieben, ganz im Gegenteil. Ich mochte die Art und Weise, wie bestimmte Charaktere sich langsam näherkamen. Leider wandelte es sich viel zu schnell im Laufe der Geschichte, das Tempo fand ich so nicht mehr richtig und es fühlte sich etwas zu sehr nach Insta-Love an. 
Was sich auch nicht wirklich richtig anfühlten, waren die veschiedenen Sex-Szenen. Ich verstehe den Trend nicht, jede Geschichte in ein Smut-Buch verwandeln zu müssen. Ja, ich finde es toll, dass Sex in Büchern mehr thematisiert wird und sich die Buchwelt ganz offen dafür zeigt. Und es muss auch echt nicht immer Blümchen-Sex sein, aber es muss sich für mich persönlich trotzdem noch natürlich anfühlen. Ich hatte an vielen Stellen mehr das Gefühl, die Charaktere schauen sich nur in die Augen – blutend, verletzt, in gefährlichen Situationen – und plötzlich fliegen die Klamotten durch die Gegend. Es fühlte sich an vielen Stellen vollkommen willkürlich und erzwungen an. 

Was mir sehr gut gefallen hat war, dass verschiedene Sprecher:innen im Hörbuch zu hören waren. Sie verliehen den Charakteren dann ein wenig mehr Leben und Abgrenzung zu den anderen. 

Für mich ist das Buch ganz allgemein kein Sci-Fi, sondern eine rosane Prinzessinnen-Geschichte, die aus Versehen auf einem Raumschiff spielt, aber eigentlich auch gut in ein Glitzerschloss von Disney passt.