Rezension

Spannung, Möglichkeiten und Zukunftsmusik

88 Namen -

88 Namen
von Matt Ruff

Bewertet mit 4.5 Sternen

Inhalt:
Die Hauptfigur John Chu lebt davon, dass er wohlhabenden Menschen die Welt des Gamings näher bringt. Dabei müssen diese keine Vorerfahrungen mitbringen und keine Zeit in das Hochleveln eines Avatars stecken, weil dieser von John Chu gestellt wird. Die Crew von John begleitet dann den Kunden durch Instanzen und erklärt ihm worauf es ankommt. Für so ein Geschäftsmodell brauchen die Dienstleister natürlich ein bestimmtes Benehmen und sollten die Kunden nicht beleidigen oder anderweitig verprellen. Deshalb zerbricht die Online-Beziehung zu Johns Freundin, deren Charakter nicht zur Dienstleistung passt, obwohl sie in Online-Games wirklich gut ist. Die ist deshalb extreme sauer. John hat aber nicht wirklich Zeit zu trauern, weil er einen neuen Kunden hat, der ihm komisch vorkommt und dem er deshalb nachspioniert, um herauszufinden wer er ist. John wird ungewollt zum Spielball zwischen zwei Parteien und hat bald nicht nur Angst um sich selbst, sondern auch um seine Crew.

Meinung:
Die Mischung aus VirtualReality und RealLife hat mir gefallen. Besonders spannend wurde das Buch dadurch, dass sich VR und RL immer mehr vermischt haben und die Grenze verschwommen ist. Wer schon MMORPGs gespielt hat, wird hier sicher Ausschnitte finden, die ihm bekannt vorkommen. Die CyberSex-Teile haben die Spannung immer wieder etwas gedämpft, sind aber im Gesamtzusammenhang eindeutig notwendig. Die einzelnen Charaktere des Buchs sind so außergewöhnlich konstruiert, dass es sehr unwahrscheinlich scheint, dass sie in echt so aufeinander treffen würden, wobei man das natürlich nie so genau wissen kann.
Die Wendung gegen Ende und der Schluss kamen für mich einfach zu schnell und waren irgendwie unbefriedigend. Mir wird es mit diesem Buch wohl so gehen wie bei Orwells 1984: Ich werde jahrelang denken, ich hätte es nicht fertig gelesen, weil das Ende so komisch ist.
Insgesamt zeigt dieses Buch auf spannende  Weise, dass online jeder alles sein kann und sehr vieles möglich ist. Und deshalb etwas Misstrauen immer angebracht ist. Am erschreckendsten war für mich der Ausblick, dass man in Zukunft vielleicht über VR Anschläge oder Morde begehen kann - auch wenn es weit hergeholt klingt. 
Trotz des Endes eindeutig eine Leseempfehlung!

Hier noch meine Highlights des Buchs:
1. Johns Beschreibung der Offline-Komponente des Games Footsteps After Midnight
2. Das CIA Factbook mit VR-Komponente
3. Die inszenierte, virtuelle EULA-Polizei-Razzia (Ich glaube, allein um das mal zu sehen, würden sicher einige Gamer einen ihrer Accounts opfern)
4. Johns Abfuhr, als er im Alter von 9 Jahren eine 17-jährige auf ein Kinodate eingeladen hatte: "Danke, dass du fragst, John [...]"