Rezension

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Wasser verbindet uns und alles

Am Himmel die Flüsse -

Am Himmel die Flüsse
von Elif Shafak

Bewertet mit 5 Sternen

Ein Ausnahmebuch

„Am Himmel die Flüsse“ von Elif Shafak ist ein beeindruckendes Werk, das historische Tiefe mit einer fesselnden Erzählkunst vereint. Das schlichte, doch eindrucksvolle Cover, das die Symbolik des Wassers einfängt, verweist auf das, was alles vereint und zieht den Leser in die Geschichte hinein.

Elif Shafak erzählt die miteinander verflochtenen Geschichten dreier Figuren, die auf den ersten Blick wenig gemeinsam haben, jedoch durch das Wasser auf eine tiefere Weise verbunden sind. Arthur, der im 19. Jahrhundert in den Abwasserkanälen Londons aufwächst, begibt sich später auf eine abenteuerliche Reise in den Nahen Osten, um das Gilgamesch-Epos zu erforschen. Zaleekhah, eine irakischstämmige Hydrologin unserer Zeit, bewegt sich ebenso sicher in den Wasserkreisläufen der Natur wie in den Strömen ihrer inneren Welt. Und Narin, ein kleines Mädchen aus der Gemeinschaft der Jesiden, besitzt eine besondere Gabe, die sie von ihrer Großmutter geerbt hat und die sie eng mit dem Wasser verbindet. Die Erzählstränge bewegen sich auf unterschiedlichen zeitlichen Ebenen, haben alle mit dem Orient und Mesopotamien zu tun und vor allem mit Wasser.

Shafak gelingt es meisterhaft, historische Ereignisse und aktuelle Themen in die Handlung zu integrieren, ohne den Lesefluss zu unterbrechen. Sie beleuchtet die Verfolgung der Jesiden, die Unterdrückung von Frauen und die Zerstörung kulturellen Erbes und stellt wichtige Fragen zu dem richtigen Umgang mit antiken Kunstwerken, die heute in westlichen Museen ausgestellt sind. Diese Themen sind geschickt in die Erzählung verwoben, sodass der Leser sich nicht belehrt fühlt, sondern mitgerissen wird von der Strömung der Geschichte.

Die sorgfältige Recherche, die in die detaillierte Darstellung historischer und geografischer Aspekte eingeflossen ist, verleiht dem Buch eine Authentizität, die selten so wirkungsvoll erreicht wird. Die fließenden Wechsel zwischen den Perspektiven und Zeitebenen verbinden sich am Ende zu einem großen Ganzen, das mehr ist als die Summe seiner Teile. Shafaks Sprache ist klar und zugleich poetisch, und sie fängt sowohl die Schönheit als auch die Schrecken der geschilderten Welt auf meisterhafte Weise ein.

„Am Himmel die Flüsse“ ist nicht einfach ein Buch, das man liest, sondern eine Erfahrung, die man durchlebt. Es regt zum Nachdenken an – über die Geschichte der Menschheit und die ewigen Kreisläufe, die uns alle verbinden. Ein tief bewegender Roman, der lange im Gedächtnis bleibt und Elif Shafak als eine der großen Erzählerinnen unserer Zeit bestätigt. Eine klare Empfehlung für alle, die literarische Tiefe mit historischem Bezug schätzen.