Rezension

Mein neues Lieblingsbuch!

Am Himmel die Flüsse -

Am Himmel die Flüsse
von Elif Shafak

Bewertet mit 5 Sternen

Wie Flüsse, die sich durch Länder und Zeiten ziehen, ineinander münden und zusammen einen reißenden Strom ergeben – Elif Shafak vermag es, aus drei scheinbar ganz unterschiedlichen Erzählfäden ein großes Ganzes und eine fesselnde und mitreißende Geschichte zu erschaffen. Und das Gesamtbild beleuchtet die Länder des ehemaligen Mesopotamiens gleich einem Kaleidoskop in seiner Historie und in Grausamkeiten, Verletzungen und Traumata, die über Grenzen hinweg bis in die Gegenwart und auf den europäischen Kontinent reichen.

Arthur ist ein Kind der Armut, des Elends und der Vereinsamung. Geboren im ausgehenden 19. Jahrhundert in einem London, das nur die Starken und Einfallsreichen den Kampf gegen Krankheit, Kriminalität und Verwahrlosung gewinnen lässt, erweist er sich dank seines herausragenden Intellekts als Überlebenskünstler. Und als Wunderkind. Denn allein durch autodidaktische Schulung gelingt ihm das, woran zahlreiche Wissenschaftler und Experten seiner Zeit verzweifeln: Er vermag es, die Keilschrift der alten assyrischen Kultur auf ihren überlieferten Tontafeln zu entziffern. Ist hiervon geradezu besessen. Und macht dabei eine Entdeckung, die sein Leben für immer verändern und weltweite Aufmerksamkeit erregen wird.

Narin ist ein junges ezidisches Mädchen, das gemeinsam mit ihrer Familie in ihrem Heimatdorf im Südosten der Türkei lebt. Der Bau des Ilisu-Staudamms bedroht nicht nur ihr Zuhause sondern auch die ezidische Gemeinschaft, Bräuche und Kultur, so dass ihre Familie beschließt, sie im Land ihrer Vorfahren, im heiligen Lalisch-Tal taufen zu lassen. Doch es ist das Jahr 2014, und Narin, ihr Vater und ihre über alles geliebte Großmutter werden Zeugen und Opfer des furchtbaren Genozids an den Eziden, der sich vor den Augen der Welt in aller Öffentlichkeit vollzieht.

Und schließlich ist da Zaleekah, Tochter einer Einwanderin aus dem Nahen Osten und aufgrund ihrer Herkunft, des frühen Todes ihrer Eltern und ihrer Kindheit und Jugend im Hause ihres dominanten Onkels in London verwundet und schwer traumatisiert. Die Begegnung mit Nen, einer Tätowiererin, Historikerin und bald einzigen Vertrauten Zaleekahs ändert für die junge Frau alles. Und gibt ihr die Stärke und Mut, welche sie all die Jahre nicht spüren konnte.

Die Figuren dieser Geschichten sind miteinander verbunden wie Tautropfen auf einem Spinnennetz. Es ist das Wasser als das Jahrhunderte und Jahrtausende überdauernde Element, das diese Brücken durch Zeit und Raum schlägt. Und es ist ein Gedicht, dessen Ursprung in Mesopotamien liegt. Und bis heute Menschen aller Herkunft und Länder in seinen Bann zieht.

Was daraus wird: etwas Großes! Ein Sog, der einen beim Lesen nicht mehr loslässt. Und ein Strudel, der in die erzählerischen Tiefen zieht. Und die Wellen über Dir zusammenschlagen lässt. Der Roman hat mir so viel gegeben. Und Elif Shafak mir ein neues Lieblingsbuch.