Rezension

Yes, he can

28 Tage lang - David Safier

28 Tage lang
von David Safier

Im Vorfeld dieser Veröffentlichung hörte man immer wieder eine Frage. Kann der lustige Autor auch ernst? Ja, er kann! Und wie er kann! Und er sollte sogar! Und bitte mehr davon!

David Safier gelingt mit „28 Tage lang“ etwas, das nicht jedem geglückt wäre. Ohne sich zu verbiegen, schreibt er ein Buch, das sich in jeder Hinsicht von seinen vorherigen Werken unterscheidet und doch ganz klar die Handschrift Safiers trägt. Ein Buch, in dem sich langjährige Leser wohlfühlen werden, mit dem sich Kritiker versöhnen können und das hoffentlich viele neue Leser hinzugewinnen wird!

„28 Tage lang“ spielt in den Kriegsjahren 1942/1943 im Warschauer Ghetto. Die Nationalsozialisten haben inmitten der polnischen Hauptstadt einen „Jüdischen Wohnbezirk“ errichtet, der nichts anderes ist als ein menschenunwürdiges Sammellager, in dem deutsche und polnische Juden zusammengepfercht und später in die Konzentrationslager deportiert werden. In diesem Ghetto lebt auch die 16-jährige Mira. Von den Erwachsenen nicht mehr viel erwartend, kümmert sich Mira um ihre jüngere Schwester und ihre traumatisierte Mutter, schmuggelt Lebensmittel von außerhalb der Mauer ins hungernde Ghetto und riskiert dabei immer wieder ihr Leben, um zu überleben. In einer Umgebung und unter Bedingungen, die vielen nicht mehr als lebenswert erscheinen. Als die Schrecken des Holocausts und eine Reihe von Ereignissen auch Mira verändern, schließt sie sich dem Widerstand an. Der Aufstand im Warschauer Ghetto im Frühjahr 1943 stellt viele Menschen vor die Frage: Was für ein Mensch willst Du sein?

Für seinen neuen Roman hat sich David Safier genau diese Frage als Kernmotiv genommen. Immer wieder taucht sie auf, die Frage nach dem Gewissen, nach dem Mensch-Sein, nach Richtig und Falsch. Ein Frage, die so leicht und doch so schwer zu beantworten ist in Zeiten, in denen Menschen zu unfassbarem fähig sind, zu unfassbar Gutem, zu unfassbar Schlechtem, zu unfassbar Grauenhaftem und zu unfassbar Mutigem. Und so sind Safiers Romanfiguren auch keine Helden, es sind Menschen. Und es ist die Menschlichkeit, die in diesen Tagen Helden schafft.

David Safier fängt in seinem Roman diese Stimmung sehr gut ein und entwirft im historischen Kontext fiktive Figuren, die glaubwürdig in ihrer Umgebung agieren und so auch die Geschichte glaubwürdig machen. Die Figuren handeln mit all ihren Schwächen und Stärken, jeder so gut oder schlecht wie er kann. Und immer wieder die Frage: Was für ein Mensch willst Du sein?

„28 Tage lang“ ist kein typischer zeitgeschichtlicher Roman, der wie so viele andere Vorgänger versucht, aufzuarbeiten, zu moralisieren. „28 Tage lang“ ist ein Jugendroman, der behutsam und doch ungeschönt die Ereignisse im Warschauer Ghetto beschreibt und die Menschen und die Geschichte ins Hier und Jetzt holt.
Die Handlung ist emotional trotz der historischen Schwere gut ausbalanciert und dabei, für meine Begriffe, hervorragend recherchiert und informativ. Aufbereitet in einer leicht zugänglichen Sprache und wirklich schön erzählt, hat David Safier hier ein absolut lesenswertes Buch vorgelegt.

Da ich mit Jugendromanen so meine Zugangsschwierigkeiten habe, und mich das auch in diesem Buch leider am letzten Funken-Überspringen gehindert hat, würde ich normalerweise 4 Sterne vergeben. Andererseits verdient dieses Buch aber auch einfach 5 Sterne, weil der Autor es nicht nur gewagt hat, sich weiterzuentwickeln, sondern weil es ihm auch noch großartig gelungen ist!

Fazit: 4 Sterne für das Buch und ein 5. Stern für das „Neu-Sein“-Können!
 

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