Rezension

Zeitkritik mit Tiefgang

Das Herz ihrer Tochter - Jodi Picoult

Das Herz ihrer Tochter
von Jodi Picoult

Bewertet mit 5 Sternen

Ich muss sagen, dass ich sehr skeptisch an das Buch herangegangen bin. Ich kannte die Autorin nur vom Hören-Sagen und war gefasst auf einen reißerischen Roman ohne Realitätsbezug. Umso positiv überraschter bin ich jetzt, nachdem ich den Roman zu Ende gelesen habe. Die Geschichte hat mir sehr viel mehr geboten, als der Klappentext erahnen ließ.

Es geht in "Das Herz ihrer Tochter" um zwei große Themen, die miteinander verquickt werden: Zum einen die Todesstrafe mit allem, was sie umgibt, und zum anderen die Religion mit ihrer Geschichte, wobei der Katholizismus im Mittelpunkt steht.

Shay Bourne wird wegen zweifachen Mordes zum Tode verurteilt und sitzt erst mal 11 Jahre in der Todeszelle, bevor die letzte Gerichtsverhandlung die Vollstreckung des Urteils unwiderruflich beschließt. Unter den Geschworenen ist der Mathematikstudent Michael, der als letzter und nicht mit voller Überzeugung seine Zustimmung zum Todesurteil gibt. Er kann mit dieser seiner Entscheidung aber nicht wirklich umgehen und wendet sich der Kirche zu: er wird katholischer Priester. Wie es das Schicksal (oder was auch immer für eine Bestimmung) so will, wird er Shay Bournes Seelsorger.

Shay Bourne hat ein siebenjähriges Mädchen und dessen Stiefvater auf dem Gewissen und die schwangere Mutter des Kindes musste schon einmal zuvor den Tod ihres Partners verkraften. Schließlich bekommt sie ein herzkrankes Kind und Shay kommt von dem fixen Gedanken nicht los, dass er genau ihr - der Schwester seines Opfers - nach seinem Tod sein Herz spenden möchte.

Solch eine Geschichte bleibt natürlich nicht der Öffentlichkeit verborgen und es schaltet sich die Bürgerrechtsorganisation ACLU ein, indem sie eine Anwältin an Shays Seite stellt, die zunächst nichts anderes will, als die Ungerechtigkeit der Todesstrafe als solche publik zu machen. Genau diese Anwältin bleibt aber nicht objektiv, entwickelt freundschaftliche Gefühle zum Häftling und kämpft letztlich für das Leben eines Mannes, der mit genau diesem Leben bereits abgeschlossen hat.

Ich möchte nicht zu viel verraten. Das Buch strotzt nur so von hoch aktuellen und brisanten Fragestellungen und hat mich persönlich berührt und nachdenklich gemacht.

Es ist absolut kein reißerischer Roman, ganz im Gegenteil wird alles, was man zunächst kritisch distanziert sieht auf eine erstaunliche Weise geklärt und beantwortet.

Besonders gut finde ich den Stil, in dem das Buch geschrieben ist. Man liest die gesamte Geschichte im Wechsel aus vier Perspektiven:

- June, der Witwe mit dem herzkranken Kind

- Michael, dem Geschworenen und katholischen Pfarrer

- Maggie, der ACLU-Anwältin von Shay

- Lucius, dem an Aids erkrankten Häftling, der im Sicherheitstrakt in der Nachbarzelle von Shay sitzt

Desweiteren ist das Buch in mehrere Sinnabschnitte unterteilt, die durch denkwürdige Zitate (Voltaire, Woody Allen, Mutter Teresa, Mark Twain, Dalai-Lama, Bono, Nietzsche und Einstein) voneinander getrennt sind, was das Lesen sehr angenehm macht.

Alles in allem ein wirklich gelungener zeitkritischer Roman.