Rezension

Australien von seiner schönsten Seite

Der Duft von Hibiskus - Julie Leuze

Der Duft von Hibiskus
von Julie Leuze

Etwas Schreckliches ist in den drei dunklen Tagen passiert, vor deren Ablauf mit den schmerzlichen Erinnerungen sich Emmas Seele verschließt. Die junge Deutsche weiß lediglich, dass sie einen Toten zu verantworten hat und ihre Eltern sie seit dem Ereignis verstoßen haben. Wild entschlossen, ihrer Vergangenheit den Rücken zu kehren, nimmt sie das verlockende Angebot von Oskar Crusius, an seiner Seite durch den australischen Busch zu wandern und dabei Bilder von den unbekannten Pflanzen anzufertigen, an. Nach einer schier endlosen Schifffahrt erreicht sie den Hafen von Brisbane und trifft auch sogleich auf die drei Männer, welche neben Oskar an der Expedition teilnehmen. Der Leiter der Truppe, Carl Scheerer, weigert sich jedoch ein schwaches Weib den Gefahren der Reise auszusetzen, und gibt nur widerwillig nach, als Emma und ihr Begleiter eine Verlobung vortäuschen. Kann Emmas Leben auf dieser Lüge aufgebaut wirklich eine neue Richtung einschlagen? Immerhin fühlt sie sich zu dem dunkelhaarigen Carl viel näher hingezogen, als ihrer einzigen Liebe zuvor, die schmachvoll endete.

Die Autorin hat es geschafft dem verstaubten Immage des 19.Jahrhunderts mit einer selbstbewussten und modernen Protagonistin zu neuem Glanz zu verhelfen und dabei gleichzeitig alte Geflogenheiten nicht außer Acht zu lassen. Es macht Freude, Emma dabei zu begleiten, wie sie sich zähneknirschend von ihrem Korsett trennt, durch das schwierige Gelände im Spreizsitz auf dem Pferd fortbewegt und dabei stückweise zu einer emanzipierten Regenwald-Amazone mausert, der auch gerne mal ein Fluch über die Lippen huscht. Glücklicherweise sehen ihre Gefährten die Verwandlung nicht so streng, obwohl die Abgeschiedenheit im Dschungel den ein oder anderen zu unzüchtigen Gedanken verleitet, die im Alkoholrausch umgesetzt werden wollen. So schlängelt sich die Einwanderin durch brenzlige Zwischenfälle, die ihr aber niemals den Forschergeist und den Spaß an den detailltreuen Pflanzenzeichnungen vermiesen. Belohnung für ihre Mühen ist das Treffen mit Ureinwohnern des Landes, die voller Gastfreundschaft ihr Wissen teilen und Emma das Tor in eine neue Welt öffnen. Diese Szenen sind bildlich beschrieben und voller Respekt vor den (vermeintlich rückständigen) Naturvölkern, sodass wir Leser uns am liebsten an das Lagerfeuer setzen würden.

Julie Leuze hat rund 400 Seiten mit Spannung, zarten Gefühlen und den interessanten Eckdaten der Botanik von Übersee gefüllt. Der einzige Kritikpunkt, der mir einfällt, wäre der zwar melodische, aber unpassende Titel, denn ein Hibiskus wird bei der vielfältigen Fauna nicht erwähnt. Nichtsdestottrotz habe ich den historischen Roman an einem Tag verschlungen, was auch an dem genussvoll-leichten Schreibstil lag und schiele schon mit großen Erwartungen auf den Nachfolger „Der Ruf des Kookaburra“, denn Emmas Leben in Australien geht bestimmt turbulent weiter.