Rezension

Close your eyes!

Der Schlafmacher
von Michael Robotham

Bewertet mit 4 Sternen

Ein abgelegenes Farmhaus in Somerset wird zum Schauplatz eines grausamen Doppelmords, der viele Fragen bei den Ermittlern aufwirft. Die Opfer: Eine Mutter und ihre Tochter, erstere brutal erstochen während die 18-jährige Harper erstickt aber ansonsten unangetastet auf ihrem Bett liegend zurückgelassen wurde. Abgebrannte Kerzen und ein mit Blut gemaltes Pentagramm an der Wand deuten auf einen okkulten Hintergrund als Motiv, doch Tatverdächtige gibt es viele - zu viele. Vom seltsamen Nachbarjungen, bis hin zum Exmann oder den zahlreichen Liebhabern der Mutter. Die Polizei ist in ihrem Ermittlungen festgefahren und die Rufe der verängstigten Bewohner Somersets nach Gerechtigkeit werden lauter. Chief Superintendent Ronnie Cray bittet Joe O'Loughlin um Hilfe. Doch dieser weigert sich zunächst, lässt sich allerdings umstimmen als sich einer seiner ehemaligen Studenten als sogenannter "Mindhunter" rücksichtslos in den Fall einmischt. Als dann auch noch ein weiteres Mordopfer gefunden wird, bei dem ein "A" in die Stirn geritzt wurde, und O'Loughlin einige Verbindungen zum Doppelmord ziehen kann, wird ihm klar, dass ein gefährlicher Serienmörder sein Unwesen treibt. Kann er ihn rechtzeitig stoppen?

Leseeindruck

"Der Schlafmacher" (OT "Close Your Eyes" - m. E. noch passender als die Übersetzung) ist der zehnte Band um den klinischen Psychologen Joe O'Loughlin, der zusammen mit dem ehemaligen Detective Vincent Ruiz als Profiler der Polizei mit Rat und Tat zur Seite steht. Ich selbst habe bisher nur Stand-Alones von Robotham gelesen und mit diesem Band erstmals einen Einblick in diese Reihe bekommen. Auch als Quereinsteiger hatte ich keinerlei Probleme in die Geschichte und Charaktere zu finden, musste aber feststellen, dass es hier und da durchaus Andeutungen zu früheren Fällen und vor allem zum Privatleben O'Loughlins gab, die mich neugierig auf die Vorgänger gemacht haben. Ich denke, es ist ratsam die Reihe chronologisch zu lesen, um Joe O'Loughlin als Figur in ihrem Denken, Handeln und Interagieren intensiver nachvollziehen zu können. Nachdem mich dieser Band voll und ganz überzeugen konnte, werde ich das wohl auf alle Fälle nachholen.

Hier die Übersicht:
1. Adrenalin - The Suspect (2004)
2. Amnesie - Lost (2005)
3. Todeskampf - The Night Ferry (2007)
4. Dein Wille geschehe - Shatter / The Sleep of Reason (2008)
5. Bis du stirbst - Bombproof (2008)
6. Todeswunsch - Bleed for me (2010)
7. Der Insider - The Wreckage (2011)
8. Sag, es tut dir leid - Say, you're sorry (2012)
9. Erlöse mich - Watching you (2013)
10. Der Schlafmacher - Close Your Eyes (2015)

Neben dem Fall an sich, der besonders durch das Legen vieler intelligenter Fährten besticht und von dem Zusammenspiel des Duos Joe O'Loughlin/Vincent Ruiz hervorragend getragen wird, spielt hier das Privatleben O'Loughlins eine große Rolle. Und wenngleich ich kein Fan von zu viel Privatem der Ermittler in Krimis und Thrillern bin, war das hier zu keiner Zeit störend. Im Gegenteil, ich mochte die eingestreuten Parts sehr gern und fand sie stimmig und passend.
Auch gibt es immer wieder kurze, kursivgestellte Einschübe, die aus der Sicht des Täters geschrieben sind. Sie erhöhen die Spannung immens, regen zu Spekulationen an ohne dabei aber zu viel zu verraten. Der flüssige Schreibstil, die gute Mischung der Charaktere und die teilweise philosophisch angehauchten Gedankengänge O'Loughlins sorgen für einen runden Spannungsbogen und ein ausgewogenes Lesevergnügen.

"Die Leute sagen manchmal, die drei machtvollsten Worte der Sprache seien »Ich liebe dich«, aber sie irren. Die drei machtvollsten Worte sind: »Bitte hilf mir.«" (Seite 204)

"Jeder Mensch hat drei Herzen - eins, das er Fremden zeigt, eins, das er denen zeigt, die er liebt, und eins, das er niemandem zeigt. Es ist jenes letzte Herz, nach dem ich suche, weil es in der Regel am meisten beschädigt ist." (Seite 284)

Letztlich scheint mir "Der Schlafmacher" ein sehr "persönlicher" Band dieser Reihe zu sein, denn neben Joe O'Loughlins Krankheit Parkinson spielt hier auch die Beziehung zu seiner Frau Julianne und seinen Töchtern Charlie und Emma eine große Rolle. Was lernen wir aus Fehlern in unserem Leben und wie können wir sie trotzdem nutzen, wo wir sie doch schon nicht rückgängig machen können? Wie stark bestimmen sie unser zukünftiges Handeln, Denken und Fühlen? Wie schwer werden uns nahestehende Personen dadurch geprägt und versehrt? All diese Fragen webt Robotham geschickt in seine Geschichte ein und zieht so auch hauchfeine Verbindungen zwischen dem Fall als solches und dem Schicksal der Familie O'Loughlin. Ungewöhnlich tiefgründig für einen Psychothriller wie ich finde und umso mehr hat mich das Geschick des Autors beeindruckt.

Ohne etwas vom Inhalt vorwegzunehmen kann ich sagen, dass das Ende des Buches einerseits sehr rasant und spektakulär anmutet, für mich persönlich dann aber doch einen Tick zu hastig abgehandelt wurde. Allerdings war es für mich auch absolut unvorhersehbar und das ist für mein Dafürhalten immer ein großer Pluspunkt in diesem Genre.

Fazit

"Der Schlafmacher" ist ein rasant, fesselnd und intelligent gestrickter Psychothriller mit erstaunlich tiefgründigen Passagen und einem tollen Protagonisten, der nicht unfehlbar oder unantastbar ist und deshalb umso sympathischer. Eine gelungene Mischung, die Lust auf mehr Bücher des Autors macht. Lesenswert!