Rezension

Ein spannender Thriller, der mit den Ängsten aller Eltern spielt

Mädchenfänger - Jilliane Hoffman

Mädchenfänger
von Jilliane Hoffman

Bewertet mit 4 Sternen

Die dreizehnjährige Lainey ist gerade mit ihrer Familie in ein Haus gezogen, das nur wenige Kilometer von ihrem alten Heim entfernt liegt, doch durch den Umzug ändert sich ihre gesamte Lebenssituation. Denn Lainey muss nun eine andere Schule besuchen und ist damit von ihrem bisherigen Freundeskreis abgeschnitten. Die Freundinnen treffen sich zwar noch gelegentlich, doch der tägliche, persönliche Kontakt ist nicht mehr vorhanden und beschränkt sich hauptsächlich auf Telefonate, Textnachrichten und E-Mails. An der neuen Schule findet Lainey keinen Anschluss, doch in ihrer virtuellen Welt am Computer sieht es zur Zeit viel rosiger aus. Denn der attraktive Mädchenschwarm Zach bittet Lainey endlich um das heißersehnte Date. Sie trifft sich heimlich mit ihm und steigt allzu bereitwillig in sein Auto. Bereits nach wenigen Kilometern Fahrt entpuppt sich der vermeintliche Märchenprinz jedoch als hinterlistiger Entführer, der es auf junge, bildhübsche Mädchen abgesehen hat. Viel zu spät erkennt Lainey, dass sie einen riesigen Fehler begangen hat. Als sie an diesem Abend nicht nach Hause zurückkehrt, geht man davon aus, dass sie, genau wie früher ihre ältere Schwester, weggelaufen ist.

Meine Meinung

Das Buch beginnt mit einem Prolog. Hier beobachtet man einen Mann, der enthusiastisch den Worten eines fanatischen Predigers lauscht. Beim Lesen des Prologs macht sich bereits ein ungutes Gefühl breit, denn offensichtlich schaut man dem Mädchenfänger über die Schulter und bekommt dabei einen kurzen Einblick in seine kranke Denkweise. Mit keinem Wort wird dabei jedoch die Identität des Mannes gelüftet. Diese wechselt er auch im nächsten Moment, um sich in der virtuellen Welt in den Mädchenschwarm Zach zu verwandeln. Der Mädchenfänger weiß genau, welche Wünsche und Vorlieben seine späteren Opfer haben und kann sich dementsprechend verhalten. Es fällt ihm außerdem leicht, den günstigsten Zeitpunkt für eine Kontaktaufnahme auszuwählen. Denn er ist den Mädchen deutlich näher als ihnen lieb ist. Er ist bereits an dem Ort, an dem sie sich alle am sichersten fühlen - in ihrem Zimmer! Er hat sich in ihre Computer eingeschlichen und kann sie per Webcam genau ausspionieren. Jilliane Hoffman greift in ihrem Thriller ein ernstes und brandaktuelles Thema auf. Gerne verdrängt man die Gefahr, die sich heimlich, durch scheinbar harmlose Netzwerke,  in die Kinderzimmer schleichen kann. Denn in der Anonymität des Internets kann jeder die Rolle einnehmen, die für seine Zwecke am besten geeignet ist. Niemand kann sicher sein, die Person am anderen Computer richtig einzuschätzen. Diese Gefahr verdeutlicht die Autorin in ihrem Thriller und zeigt dem Leser, welches grauenhafte Szenario aus einem vermeintlich harmlosen Chat entstehen kann.

Die Handlung wird aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet. Einen großen Teil der Erzählung nimmt natürlich die Ermittlungsarbeit ein. Diese wird leider nicht durchgehend interessant geschildert, sondern wirkt stellenweise etwas langatmig. Die Handlungsstränge aus der Sicht des Mädchenfängers und aus der Perspektive von Lainey, beleben die Geschichte und sind durchgehend spannend. In diesen Handlungssträngen fällt es schwer das Buch aus der Hand zu legen, da man unbedingt erfahren möchte wie es weitergeht. Das Buch ist in relativ kurze Kapitel unterteilt, die zusätzlich zum Weiterlesen animieren.

Lainey ist eine sympathische und lebendige Hauptprotagonistin. Man kann sich gut in sie hineinversetzen und ihren Frust über den Umzug und diverse Probleme in Schule und Familie genauso nachvollziehen, wie ihre Aufregung und Freude beim heimlichen Chat mit dem vermeintlichen Mädchenschwarm Zach. Als Lainey feststellen muss, dass sie bei einem völlig Fremden im Auto sitzt, leidet man mit ihr. Laineys Entsetzen und ihre Angst, auch bei der späteren Gefangenschaft, werden glaubhaft dargestellt.
Der leitende Ermittler, Special Agent Robert Dees, hat ein einzigartiges Gespür für verschwundene Kinder. Man sagt ihm nach, dass er sie alle, ob tot oder lebendig, nach Hause bringt und den verzweifelten Eltern die Ungewissheit nimmt. Nur bei seiner eigenen Tochter scheinen seine Fähigkeiten zu versagen, denn die sechzehnjährige Katy ist schon fast ein ganzes Jahr spurlos verschwunden. Dees ist ein gewissenhafter Ermittler, wenn er an einem Fall arbeitet, kennt er keinen Feierabend und ist mit ganzer Kraft bei der Sache. Neben der Ermittlungsarbeit nimmt auch sein Privatleben einigen Handlungsraum ein. Denn durch die verschwundene Tochter ist im Leben der Eheleute Dees nichts mehr so, wie es vorher war. Die Ehe scheint kurz vor dem Aus zu stehen. Beide Partner machen sich Selbstvorwürfe und flüchten sich in die Arbeit. Durch die Beschreibungen der Autorin wirkt Dees menschlich und seine Handlungen glaubhaft und nachvollziehbar.

Der Schreibstil ist flüssig und angenehm lesbar. Man fiebert mit den verschiedenen Hauptprotagonisten mit und kann sich ganz auf den Albtraum aller Eltern einlassen. Jilliane Hoffman legt dabei falsche Fährten aus, denen man bereitwillig folgt. Durch überraschende Wendungen bleibt die Handlung spannend und interessant.

Mein Fazit

"Mädchenfänger" ist ein Thriller, der mit den Ängsten aller Eltern spielt und dabei ein brandaktuelles Thema aufgreift. Er regt zum Nachdenken an und führt gnadenlos vor Augen, dass in der virtuellen Welt sehr reale Gefahren lauern können. Ich vergebe vier von fünf Bewertungssternen. Einen ziehe ich ab, da die Ermittlungsarbeit auf mich stellenweise etwas langatmig wirkte.