Rezension

Recht ungleich Gerechtigkeit

Die letzten Tage der Nacht - Graham Moore

Die letzten Tage der Nacht
von Graham Moore

Bewertet mit 3.5 Sternen

Wenn man uns heute fragt, wer die Glühbirne erfunden hat wird wohl jeder mit Edison antworten. Der sah das damals genauso und wollte seinem Stromkonkurrenten Westinghouse die Herstellung verbieten, was jenen in den Ruin getrieben hätte. Ein Rechtsstreit entbrennt - und die Frage nach dem Erfinder ist halt nicht beantwortet, wenn man rausfindet wer von den beiden schneller war. Viel mehr stellt sich die Frage - wann ist ein Patent eigentlich ein Patent? Gibt es überhaupt DIE Glühbirne? Neuanwalt Paul wittert seinen großen Karrieresprung.

Man merkt sofort, dass Moore eigentlich aus der Filmszene kommt - und was sonst oftmal ein Problem für Romane ist rettet dieses Buch hier vollkommen. Wissenschaftsthemen und ein Rechtsstreit, das klingt erstmal fürchterlich trocken und nicht wirklich reizvoll. Dadurch dass Moore aus einem anderen Metier kommt schreibt er aber auch anders - es geht oft mehr um Bilder die im Kopf entstehen als um langwierige Erklärungen. Und diese Bilder sind gewaltig, dazu muss man sie gar nicht erst sehen, Moore ist halt auch ohne Leinwand ein Cineast.
Auch die wirklich Drögen Passagen wurden ganz gut verpackt. Ja, wirklich spritzig sind ellenlange Erklärungen rund um Stromleiter und Physik jetzt nicht, schon klar. Aber für mich als bekennenden Physikmuffel war es auch lange nicht so schlimm, wie ich vielleicht befürchtet hatte. Um sich zwischen den ganzen superintelligenten Wissenschaftlern nicht ganz so verloren fühlen kann man sich einfach mit unserem Protagonisten Paul identifizieren. Dem geht es streckenweise nämlich genau so wie uns - er ist planlos.

Das hätte ihn eigentlich sympathisch machen können, wie er da so ein bisschen ahnungslos aber gewieft und mit den besten Intentionen durch die Welt der Wissenschaft und der Justiz stolpert. Hat es auch irgendwie, aber halt doch nicht so wirklich. Komischerweise war mir keiner der Akteure so fern wie Paul, obwohl der nachvollziehbar, schlüssig und sympathisch gestaltet war konnte ich einfach keinen Zugang zu ihm finden.
Umso leichter viel mir das mit unserem exzentrischen Genie Tesla. Der hat gerade mal zwei Sätze und Kauderwelsch-Englisch (oder in unserem Fall halt deutsch) gebraucht um mein Herz zu erobern. Der ist einfach ein Fall für sich - entweder man rauft sich die Haare oder man möchte ihn mit heim nehmen und adoptieren.

Was mich massiv gestört hat war die Liebesgeschichte zwischen Agnes und Paul - die war in der ganzen Handlung dermaßen deplatziert und unnötig, dass ich die Seiten am liebsten übersprungen hätte. Schon klar, wenn man sich an historische Ereignisse halten will hat man nur begrenzt Spielraum, für mich hätte es dann aber einfach gereicht, wenn man das Thema nur angeschnitten hätte. Mich nervt es, wenn auf Teufel komm raus immer irgendwo ein kleiner dicker Amor durch die Luft fliegen muss. 

Trotzdem ist das Buch wenn man in den Bereich der Popliteratur guckt definitiv eins der anspruchsvollen Sorte. Noch nie was vom Stromkrieg gehört und das Bedürfnis die eigene Allgemeinbildung ein bisschen aufzufrischen? Genau das richtige!