Rezension

Modern verpackte Geschichte plus Unternehmensphilosophie

Die letzten Tage der Nacht - Graham Moore

Die letzten Tage der Nacht
von Graham Moore

Bewertet mit 4 Sternen

Ein Buch, auf das ich mich sehr gefreut habe, bei dem ich jetzt aber nicht ganz weiß, wie ich es beurteilen soll. Es ist nicht unbedingt der anspruchsvolle Roman, den ich erwartet habe, aber es ist ein sehr gut recherchiertes Buch über den Stromkrieg, das sicherlich verfilmt werden will und nebenbei einen Bogen schlägt zur heutigen Unternehmenskultur.

1888: Edison und Westinghouse liefern sich ein Wettrennen um die Elektrifizierung Amerikas: Wer hat die Glühbirne erfunden? Ist Gleichstrom oder Wechselstrom die erste Wahl? In einem schier undurchdringlichen Wust aus Patentrechtsstreitigkeiten, unbegreiflichen Erfindungen und finanziellen Interessen übernimmt der junge Anwalt Paul Cravath die Verteidigung von Westinghouse und sichert sich so einen übermächtigen Gegner: Edison und sein Netzwerk aus Spionen, parteiischen Journalisten und unerschöpflichen Geldgebern.

Graham Moore hat die tatsächlich stattgefundenen Ereignisse des Stromkrieges auf einen Zeitraum von 2 Jahren gestrafft und teilweise ihre Reihenfolge verändert, aber alles, was sich in seinem Roman auf die Erfinder, Anwälte und Unternehmer bezieht, ist tatsächlich so geschehen. Er hätte aber nicht den Oscar für das Drehbuch von 'The Imitation Game' gewonnen, wenn er nicht wüsste, was eine filmreife Story neben einem interessanten Prozess braucht: Also hat er noch eine Liebesgeschichte eingesponnen, die zwar auch auf einer realen Person beruht, aber nicht verbürgt und wohl größtenteils erfunden ist. Agnes ist die in meinen Augen interessanteste Figur des Romans. Sie erscheint irgendwie deutlich intelligenter als das vermeintliche juristische Wunderkind Paul und ist für sein Vorankommen fast so entscheidend wie er selbst.

Generell habe ich beim Lesen immer wieder denken müssen 'Wie geschrieben für's Kino.' und das ist bei der Geschichte des Autors ja wohl auch keine Überraschung. Trotzdem hat es irgendwie einen leicht bedauerlichen Beigeschmack, weil es dem Roman bzw. seinen Figuren etwas Oberflächlichkeit verleiht. Die Hauptfigur Paul erscheint eher passiv und mitgerissen von den Ereignissen, als dass er selbst derjenige wäre, der sie beeinflusst. Dass ihm das passiert, obwohl er doch so ausgesprochen begabt und gewieft ist, schwächt seinen Charakter leider. Auf der Leinwand ist das aber natürlich spannend, wenn man gemeinsam mit der Hauptfigur erst nach und nach die Zusammenhänge begreift.

Moore hat jedes seiner Kapitel mit einem Zitat überschrieben. Viele Zitate stammen, natürlich neben Zitaten von Edison selbst oder dem Wissenschafttheoretiker Karl Popper, von Steve Jobs oder Bill Gates. Zu Beginn hat mich das verwundert, weil es mir schlicht zeitlich nicht zur Story passen wollte, aber zum Schluss des Buches wird ziemlich klar, was Moore vermitteln will: Wirklich bahnbrechender Fortschritt, richtig 'gute' Erfindungen entstehen nicht in Einzelarbeit im Kämmerlein, nein, dafür ist ein Unternehmen erforderlich, in dem eine Struktur herrscht und in Teams an unterschiedlichen Fronten gearbeitet wird. Und mir scheint, Moore glaubt das Steve Jobs mit Apple Inc. einiges in dieser Hinsicht richtig gemacht hat. So gelesen ist 'Die letzten Tage der Nacht' nicht nur eine kurzweilige Geschichtsstunde mit interessanten Biografien, sondern auch eine Huldigung eines der erfolgreichsten Unternehmen der Welt und ein begeistertes Plädoyer für die Teamarbeit.