Rezension

Überraschend schwermütiges Buch

Die Eismacher
von Ernest van der Kwast

Bewertet mit 4 Sternen

INHALT
Die Familie Talamini betreibt seit drei Generationen eine Eisdiele in den Dolomiten. Giovanni ist der Erste, der mit der Tradition bricht, dass der Erstgeborene das Geschäft seines Vaters übernimmt. Er fühlt sich eher in der Welt der Literatur und Poesie daheim, was dem Weltenbummler allerdings nicht daran hindert, immer wieder in sein Heimatdorf zurückzukehren; ungläubige Blicke und Extraschichten in der Eisdiele inklusive.

MEINUNG
Es war vor allem das ansprechende Cover, das mich magisch angezogen hat und zu diesem Buch greifen ließ. Wer isst denn immer Sommer nicht gern frisch zubereitetes Speiseeis? So frisch und frei wie das Cover gestaltet ist, habe ich auf eine lockere Geschichte mit italienischem Flair und Dolce Vita spekuliert. Doch es kam ganz anders.

Den Einstieg mit Giovannis Vater, der sich beim Schauen der Olympischen Spiele im TV in die deutsche Hammerwerferin Betty Heidler schockverliebt, fand ich einmalig lustig und sehr überraschend. Mein Interesse an der Geschichte war geweckt. Nach einer kurzen Rückschau auf das Leben und Wirken von Giovannis Opa, dem Begründer der Eisdiele, wendete sich der Autor Ernest van der Kwast wieder Giovanni und dessen aufregendem Leben als Lektor und Poetry-Festival-Organisator. Seit klein auf hing sein Herz an Büchern und Gedichten, was dem Vater gar nicht schmeckte. Ganz anders als sein Bruder Luca, der eher traditionell lebt und die Eisdiele übernommen hat, lebt Giovanni ein modernes und unverbindliches Leben, lockere Affären und unzählige Abend in verrauchten Bars und Debattierclubs inklusive. Trotz charakterlicher sowie lebenseinstellungstechnischer Unterschiede geht beiden Brüdern Familie über alles. Und so ist Giovanni da, als der Vater an Alzheimer erkrankt und seine Schwägerin Sophia todunglücklich ist, weil Bruder Luca keine Kinder zeugen kann. Doch Bruder Luca, Sophia und er gehen eine folgenreiche Abmachung ein...

Mich hat die vorwiegend düstere, ja, schwermütige Stimmung des Buchs überrascht. Immerfort ist irgendwer unglücklich oder bedrückt. Doch gerade diesen Widerspruch zwischen Cover/Klappentext und Inhalt fand ich spannend. Giovanni ist ein Pionier innerhalb seiner Familie, ein Studierter, aber auch ein Getriebener und poetisch Süchtiger. Besonders sein innerer Kampf zwischen Tradition und Moderne konnte mich begeistern. Lange, oft zähe Passagen handeln von Treffen und Kontakten mit poetischen Bohemiens, Festivals bzw. gelesenen Werken. So dass insgesamt ca. 2/3 des Romans von Poesie handelten und der Rest sich mit Eis und dem Familienunternehmen beschäftigte. 

Die Sprache des Autors hat mir gut gefallen, sie ist leicht und reich an Beschreibungen. Die italienisch-genießerische und emotionale Erzählweise flackert auch ab und an durch. Hier sind es besonders die Ausführungen über Speiseeis, dessen Geschichte und Vielfalt, die dem Autor zu Hochform auflaufen lassen.

FAZIT
Kein typischer Italo-Sommerroman, der vor allem mit seinen nachdenklichen Tönen und Figuren punktet.