Rezension

Viele Urlaubsgrüße aus den 1980ern

In der ersten Reihe sieht man Meer
von Volker Klüpfel Michael Kobr

Bewertet mit 5 Sternen

Viele Urlaubsgrüße aus den 1980ern

Wer kann sich nicht daran erinnern, als Heranwachsender mit den Eltern in Urlaub gefahren zu sein? Irgendwann hat das wohl jeder erlebt, der nach 1960 geboren wurde. Dazu gehören auch die beiden Autoren Volker Klüpfel (1971) und Michael Kobr (1973). Auf diese Erfahrungen griffen die beiden für ihren neuen Roman "In der ersten Reihe sieht man Meer" zurück und beschreiben Urlaubsfreuden und - leiden an der italienischen Adria. Im Mittelpunkt steht der Ich-Erzähler Alexander Klein, ein Mitvierziger, der sich gerade aufmacht, mit Ehefrau, Kindern, Eltern und Schwester in einen Familienurlaub an der Adria aufzubrechen. Natürlich alles chaotisch und alle sind genervt, bevor es am nächsten Morgen losgehen soll. Aber dann ist auf einmal alles ganz ander. Als seine Mutter ihn weckt, ist Alexander auf einmal wieder der 15-jährige Junge mitten in der Pupertät. Dabei weiß er doch ganz genau, dass er diese Phase schon lange hinter sich gebracht hat und selbst Familienvater ist. Dann dämmert es ihm, er war gefangen in der Achtzigerjahre-Hölle. Im "entstellten Jahrzehnt", der schlimmen Zeit der Neonleggins und Tennissocken, der Vokuhilas, der Musik von Modern Talking – und der Adria-Urlaube. Genau diesen Klischees folgt die Familie Klein. Zu fünft mit viel zu viel Gepäck fährt die Familie in eine Urlaubsanlage an der Adria und stellt fest, dass um sie herum alles voller Touristen ist, die fast alle Deutsch spreche. Die Familie fremdelt mit der ungewohnten Umgebung jenseits der Touristenzone, und Alexander wundert sich aus seiner modernen Sicht über diese Hilfslosigkeit.
Klüpfel und Kobr setzen Alexanders Perspektive wohldosiert ein. Er verplappert sich immer wieder und muss dann Euros zu neuen Bonbons erklären und sich seltsame Blicke gefallen lassen, wenn er vorschlägt, doch einfach das Navi zu programmieren. Aber diese Perspektive ist nur ein Element des Romans, nicht sein Mittelpunkt. Der Roman präsentiert eine Folge von Episoden über unvorbereitete deutsche Urlauber in Italien. In kurzen Kapiteln, jedes mit dem Titel eines 80er-Jahre-Hits als Überschrift, erleben die Urlauber Situationen wie den Einkauf in einem Supermarkt, die Suche nach einem guten Platz am Strand oder Regen. Die Kapitel ergeben aber nicht nur ein Kaleidoskop von Urlaubseindrücken, sondern auch eine durchgehende Handlung. z. B. Alexander freundet sich mit einem Jungen an, dessen Familie einen Strandkiosk betreibt. Eigentlich ist er ja an der Tante des Jungen interessiert. Um in ihrer Nähe zu sein, greift er auf seine Erfahrung als Leiter einer Marketingfirma zurück und veersucht die Umsätze mit modernen Methoden zu steigern.
Die Autoren Klüpfel und Kobr haben ein liebenswertes, nostalgisches Buch geschrieben und unternehmen darin eine Zeitreise in die 1980er. Viele Situationen können auch diejenigen wiedererkennen, die nicht in Italien im Familienurlaub waren, sondern irgendwo anders. Es ist aber auf jeden Fall von Vorteil, sich an seine Jugend erinnern und darüber schmunzeln zu können.