Rezension

Anleitung zum Heimchen-am-Herd-sein

Der Apfelsammler - Anja Jonuleit

Der Apfelsammler
von Anja Jonuleit

Bewertet mit 2 Sternen

Ach, was hat dieses Buch cool angefangen. Da ist einerseits Eli, eine Frau, die in Umbrien lebt, nicht mehr jung, aber auch nicht wirklich alt. Sie stirbt unvermittelt und hinterlässt ihr Haus ihrer Nichte Hannah, die soeben mit ihrem Freund Schluss gemacht hat. Ihrem verheirateten Freund, der sich nicht so richtig entscheiden konnte zwischen dem gemachten Nest zuhause und ihr.
Diese Hannah fährt also nach Italien, um den Nachlass ihrer Tante zu sichten. Dabei erfährt zumindest der Leser sehr viel über Eli, denn die hat ihr Leben in Briefe geschrieben. Und was war das anfangs für ein Leben! Kurz nach dem 2. Weltkrieg geboren, muss sie auf dem Hof ihrer Eltern schuften, fast ein bisschen wie Aschenputtel. Ihre jüngere Schwester ist die geliebte, sie ist die fleißige, die nebenbei auch noch sehr gute Zensuren mit nach Hause bringt. Ihre Mutter duckt vor dem gewalttätigen Vater ab, ihr Vater ist ein versoffener, prügelnder Psychopath. Dann lernt Eli den Wanderarbeiter Giorgio kennen und verliebt sich in ihn, wird sogar schwanger - und das Unheil nimmt seinen Lauf.

Während der Leser das Leben von Eli kennenlernt, räumt Hannah das Haus ihrer Tante auf und lernt ihren mürrischen Nachbarn kennen: einen Mann namens Matteo. Matteo hat sich dem Sammeln und Erhalten alter und ökologisch wertvoller Früchte verschrieben; so ehrenvoll seine Ansichten sein mögen, so neanderthal sein Benehmen und Auftreten. Er behandelt Hannah wie den Dreck unter seinen Füßen. Anstatt den Mann links liegen zu lassen, kommt sie auf die Idee, eine Fotostrecke von seinem Land und Vorhaben zu machen, also biedert sie sich auf geradezu erniedrigende Weise bei dem Mann an - und ja, der geneigte Leser wird es ahnen: verliebt sich in ihn.

Ab diesem Moment verliert das Buch rapide an Sympathien. Sowohl Eli als auch Hannah mutieren (die eine über Briefe, die andere über den Erzählungsstrang) zu Weibchen, die ihr ganzes Leben auf die Aufmerksamkeit des von ihnen angebeteten Mannes ausrichten. Vorbei ist es mit der taffen Eli, die sich aus der Enge des gewaltsamen Elternhauses befreien konnte, vorbei mit der ... nein, ich werde für Hannah nicht das Wort taff benutzen, das hat sie nicht verdient. Angeblich ist sie über 30, aber sie benimmt sich wie eine spätpubertierende 17jährige. Stalkt einem Typen hinterher, der offensichtlich nichts von ihr wissen möchte, verfolgt ihn, drängt sich ihm auf, enthält ihm wichtige Informationen vor, suhlt sich in Selbstmitleid, bricht sogar bei ihm ein. Oh, das ist bestimmt soooooooooooo romantisch! Moment, ich muss mein wild pochendes Herz zur Ruhe bringen.

So. Wo war ich stehengeblieben? Ach, ja. Alle Frauen in diesem Buch sind schwach und dumm, sobald es um Männer geht. Sie sind entweder Ehebrecherinnen oder dulden als Ehefrauen gewalttätige oder fremdgehende Männer. Oder sie entpuppen sich - ähnlich wie Rebecca von Daphne du Maurier - als Frauen, die das Leben der sie anbetenden Männer zerstören. Ach, und natürlich: das große Geheimnis, das alles umgibt. Es war so offensichtlich, dass schon Neonreklame über diesem Geheimnis tanzte. Habe ich was vergessen? Nun ja. Vielleicht sollte ich meine Enttäuschung erwähnen. Die Autorin KANN nämlich schreiben, was die ganze Geschichte nur ärgerlicher macht. Hätte sie wenigstens einen grottigen Stil, der mit der spiralförmig nach unten stürzenden Geschichte mithalten könnte, wäre das nur halb so schlimm. So jedoch vergeudet sie ihr Talent und unsere Lesezeit.

Fazit: Schade. Mea sog i net.