Rezension

Träumen in Umbrien

Der Apfelsammler - Anja Jonuleit

Der Apfelsammler
von Anja Jonuleit

Bewertet mit 5 Sternen

Inhalt

Das Buch hat zwei verschieden Plots. Zum einen folgen wir Hannah, zum anderen ihrer Tante Elisabeth. Der Teil von Elisabeth besteht, wie wir sehr schnell erfahren aus einem langen Brief, den sie an eine geliebte Person gerichtet hat und so etwas wie eine Wiedergabe ihrer Lebensgeschichte ist. Somit deckt Elisabeths Teil einen größeren Zeitraum ab, ist jedoch chronologisch aufgebaut, so dass es zu keinerlei Sprüngen kommt.
Hannah Teil befindet sich in der Gegenwart, Elisabeths Brief ist Teil ihrer Geschichte.

Elisabeth

Elisabeth lebte mit ihren Eltern und ihrer kleinen Schwester auf einem Bauernhof. Eigentlich wollte Elisabeths nichts anderes als aufs Gymnasium zu gehen. Doch ihr Vater will dies nicht. Für ihn ist ihr Leben schon geplant. Sie arbeitet auf dem Hof, bis sie einen akzeptablen Mann findet, denn sie dann heiratet und mit ihm Kinder bekommt.
Doch Elis Mutter glaubt an Zeichen und als eine Schule eröffnet wird, die Sankt Elisabeth heißt und auch noch der Pfarrer selbst ihnen empfiehlt Eli dort hin zu schicken, ist ihre Mutter überzeugt und setzt sich gegen den Vater durch.

Eli ist gern dort, doch sie muss weiterhin all ihre Pflichten zu Hause erfüllen und als sie eines Tages den Zug verpasst, ist sie sich des Ärgers ihres Vaters schon gewiss. Doch da kommt ihr jemand zur Hilfe. Ein italienischer Gastarbeiter Giorgio, den sie schon im Ort gesehen hat, bietet ihr an sie nach Hause zu fahren.
Bald schon sehen sich die beiden wieder und eine Liebe entsteht. Doch dann erfährt Eli, dass ihr geliebter Giorgio verheiratet ist. Er muss sie verlassen, um zu seiner Frau nach Italien zu fahren, die im Krankenhaus liegt.
Eli ist am Boden zerstört, doch Giorgio kommt zurück. Sie finden zueinander und dann muss er für ein ganzes Jahr im Ausland. Eli lässt ihn gehen, in der Hoffnung, dass er zurückkommen würde, was sie da jedoch noch nicht weiß, ist dass sie von ihm schwanger ist.

In der Zukunft ist es ein ewiges hin und her. Giorgio kann sich nicht von seiner Frau trennen, kann aber auch nicht ohne Eli sein und Eli will zwar nicht die zweite Frau sein, kann aber auch nicht von ihrem Geliebten lassen....

Hannah

Als Hannah noch klein war, starben ihre Eltern bei einem Unfall. Hannah kam erst in eine Pflegefamilie, doch dann lernte sie ihre Tante Eli kennen und wollte nicht mehr von ihrer Seite weichen.
Lange Zeit lebten sie auf dem Bauernhof, der einst Elis Eltern gehörte, doch dann wurde Hannah flügge und Eli zog nach Italien.
Hannah wollte sie schon seit langem Besuchen, doch sie fand nicht die Zeit dazu, denn sie steckte in einer Beziehung mit einem Mann, der leider verheiratet war, ihr jedoch immer wieder vergewisserte, dass er seine Frau verlassen wolle.
Als Hannah dann die schreckliche Nachricht bekommt, dass ihre Tante tot sei, beendet sie ein für alle mal die Beziehung zu Martin und reist nach Italien um zu entscheiden, was aus Elis Besitz werden solle.
Eigentlich möchte sie Elis Haus verkaufen, doch sie will sich Zeit damit lassen, ihre Nähe in ihren Sachen spüren um sich richtig verabschieden zu können.
Auf einem Spaziergang entdeckt sie einen benachbarten Obstgarten und macht fleißig Fotos, bis sie auf den griesgrämigen Besitzer stößt, der sie verscheucht.
Sie erkundigt sich über ihn und erfährt, dass er seltene Apfelsorten anbaut um die Vielfalt zu bewahren. Genau das Richtige für Hannahs neuen Artikel in ihrem kleinen Magazin in Deutschland.
Außerdem bekommt sie den Tipp, dass er noch einen Erntehelfer sucht.
Mateo, der Obstbauer stellt sie ein, doch anfangs ist der Umgang miteinander sehr schwer, bis sie schließlich zueinander finden.
Doch Mateo verbirgt etwas vor ihr, das weiß sie und so beginnt sie nachzuforschen und erfährt Dinge über ihn, die er noch nicht einmal selber weiß.....

Meine Meinung

Da die beiden Frauen sich in sehr vielen Dingen sehr ähnlich sind, hätte es sehr leicht passieren können, dass man beim Lesen durch die Wechsel durcheinander kommt, auch wenn die Geschichten sich sehr unterscheiden. Das Risiko bestand dennoch und die Autorin hat dem mit einem sehr einfachen Trick entgegen gewirkt. Die Frauen haben verschiedene Schriftarten, die auch sehr passend gewählt sind. So weiß man auch, wenn man das Buch plötzlich weglegen musste genau, welcher Frau man gerade durch ihr Leben folgt.
Mir hat dies persönlich sehr gut gefallen. Besonders, da die Schriftarten sofort eine Verbindung zum Charakter herstellten. Hannah fett und modern, Eli eher sanft, blass, mit einer sehr filigranen Überschrift.

Die Geschichte selber besticht durch die Atmosphäre, die geschaffen wird. Wir können uns nur zu gut den kleinen Hof in Mosisgreuth vorstellen, die beklemmende Stimmung, die Eli zu Hause empfand und den Lichtblick, den Giorgio für die darstellte.
Eli kommt an viele Orte und auch wenn diese manchmal eher düster sind, so begleitet und ihre Wärme. Und dieselbe Wärme umgibt auch Hannah.
Als wir dann Eli und Hannah in Italien begegnen, ist das Fernweh plötzlich ganz nah. Man ist bezaubert von den Orten, die sie entdecken und möchte nichts lieber als in das Buch einzusteigen und direkt nach Italien zu gelangen, am besten nach Rom oder Umbrien, wo Elis kleines Haus steht.

Und auch wenn Harmonie und Träume groß geschrieben werden, so überwiegt eigentlich der Teil, der voller Verzweiflung und Geheimnissen steckt, die wir nach und nach gemeinsam mit den Frauen aufbröseln.

Die beiden Protagonisten sind dem Leser von Anfang an sympathisch, da sie wie schon erwähnt diese Wärme ausstrahlen und sie die Liebe verbindet für alles schöne. Sei es nun eine alte Ruine oder eine wunderschöne Landschaft. Wir haben hier zwei Frauen, die es verstehen zu träumen, dabei jedoch nicht abdriften, sondern bodenständig bleiben.
Und beide verbindet auch die Liebe zu einem verheirateten Mann, denn sie lieben auch das schmachten, Interessant hierbei ist, dass beide darüber schweigen aus Angst dafür verurteilt zu werden.
Dies war ein Punkt, an dem ich beide nicht verstehen konnte, doch auch hierauf wird auf eine sehr schöne Weise eingegangen, die ich nicht erläutern werde.
Und auch wenn ich es weiterhin nicht verstehen konnte, so konnte ich doch fühlen und nachvollziehen, was dazu geführt hatte. Dies klingt zwar ein wenig schnulzig, ich persönlich empfand es jedoch nicht so. Es war auf eine obskure Weise romantisch, wenn auch tragisch, jedoch keineswegs kitschig.

Die Handlung verspricht einige Überraschungen, die zwar angedeutet werden, jedoch sind diese Andeutungen nicht zu durchschauen, wenn man nicht die ganze Geschichte kennt. Und so tappen wir im Dunkeln und erleben zum Schluss einen AHA-Moment. Diese Überraschung am Ende lässt in gewisser Weise einen süßen Geschmack zurück, vermittelt irgendwie ein glückliches Gefühl. Man glaubt es komme ein Happy End, doch vieles ist offen und mit ein wenig Fantasie könnte auch alles sich ins Schlechte umkehren. Wir wissen nicht, was die Zukunft für Hannah und Mateo bringt. Ich persönlich ahnte eher Schlechtes, doch man hofft natürlich, dass sich alles zum guten wenden wird, auch wenn ich es mir nicht vorstellen kann. Es ist fast wie das Ende eines Märchens, im glücklichsten Moment wird ausgeblendet.
Sehr interessant ist dabei vor allem der Aufbau. Da Hannah erst viel später Elis Geschichte erfährt. Wir fragen uns immer wieder,wann sie den Brief endlich findet und gleichzeitig staunen wir beim Lesen über die Parallelen der Frauen, von denen Hannah noch nichts ahnt.

Fazit

Ein Buch, das Fernweh verursacht, voller Liebe und Hass steckt, dunklen Geheimnissen und immer wieder Hoffnung sät. Das uns träumen lässt und an wunderschöne Orte entführt, aber uns auch seelische Abgründe aufzeigt.
Es überrascht und unterhält.
Auch wenn dies nicht mein übliches Buchgenre ist, habe ich das Buch sehr genossen und werde mit Sicherheit noch mehr von der Autorin lesen.