Rezension

Zu viel Drama auf einmal!

Der Apfelsammler - Anja Jonuleit

Der Apfelsammler
von Anja Jonuleit

Bewertet mit 3.5 Sternen

Eine Zwei-Zeitzonen-Story, wovon die neuzeitliche in einem Apfelgarten in Umbrien spielt, die Atmosphäre so bezaubernd, die Autorin kann gut mit Sprache umgehen, sogar sehr gut, die Kulisse des Mittelmeerraums steht mir lebhaft vor Augen und ich kann die Düfte der Küche riechen und den Wein schmecken, so famose Bilder hat die Autorin verwandt! Warum ist der Roman trotzdem eine grosse Enttäuschung für mich geworden? Das erfahrt ihr hier:

Bis zu einer bestimmten Szene, die sich auf einem Friedhof in Rom abspielt, als die beiden Frauen aufeinander treffen, die den selben Mann geliebt haben, habe ich dieses Buch mehr als gemocht, denn Anja Jonuleit ist unter den zeitgenössischen deutschen Autorinnen eine, die tatsächlich schreiben kann, die mit einer frischen Sprache aufwartet, die mir sehr gefällt, mit manchen innovativen Redewendungen frischen Wind ins Verstaubte bringt. Und die Geschichte der Eli ist tragisch, aber nicht sentimental und von einer eher herben Romantik durchzogen, ein bisschen spröde, wie ich es liebe und schätze.

Die Geschichte habe ich eigentlich schon erzählt: Zwei Frauen, ein Mann, das passiert. Zwei Zeitebenen und zwei Handlungsträgerinnen, Eli und Hanna, die eine die Tante, die andere die Nichte. Dazu ein Ort zum Träumen, ein Obstgarten in Umbrien, und ein Ort zum Fürchten, ein Hof in Bodenseenähe, auf dem Eli in ihrer Jugend das Trauma ihres Lebens erlitt. Sowohl Hanna wie auch Eli erzählen.

Die Figuren, Eli und Hanna, so fein gezeichnet, humorvoll, liebevoll, nicht überzogen, ziehen mich sofort ins Buch, ich bin begeistert, solange bis Livia die Bühne betritt und das Klischee alles verdirbt. Warum muss diese Figur so negativ überzeichnet werden und so klischeehaft? Bisher war die Geschichte realistisch, also nachvollziehbar und liebenswert, aber nun kommt es knüppeldick. Denn leider wird auch der zweiten Gegenspielerin in Sachen Liebe, der Künstlerin Rose, das Stempelkissen des aller kitschigsten Melodramas aufgedrückt. Und alles bloss, um ja geheimnisvoll um die Ecke zu kommen.

Es hat mich enttäuscht, dass die Autorin schliesslich doch mit Knalleffekten arbeitet und das Muster des sorgfältigen Psychogramms verläßt, mit dem sie mich bis zur Mitte so bezaubert hat. Frauen zeigen in schwierigen Situationen so viel mehr Größe und Souveränität als Anja Jonuleit ihren Figuren zutraut.

Fazit: Eine grossartige Schriftstellerin, die einem platten Plott zuliebe ihr grossartig angelegtes Buch zum Kitschroman hat verkommen lassen. Sowohl ärgerlich wie traurig.

 

Kommentare

wandagreen kommentierte am 04. Juli 2014 um 21:01

Wollte ich nicht "Plot" sagen - grübel ...