Rezension

Ausgeliefert

Macht -

Macht
von Heidi Furre

Bewertet mit 4 Sternen

Mir gefällt die schöne altrosa Farbe des Covers mit den Scherben darin sehr gut. Es passt mit der „Frauenfarbe“ sehr gut zu diesem Thema.
Die Geschichte spielt in Norwegen. Liv, die Protagonistin, hat mit den Nachwirkungen ihrer Vergewaltigung zu kämpfen, dem Moment, als sie die Macht über sich verloren hat und zu einem Objekt der Begierde eines Mannes wurde. Ständig kreisen ihre Gedanken um dieses Ereignis, obwohl sie inzwischen verheiratet ist, zwei Kinder und ein schönes Zuhause hat. Niemand weiß von der Vergewaltigung.
Das Buch ist schwer und bedrückend. Auch die Aufteilung des Werkes hat keine klare Struktur. Es gibt keine einheitlichen Kapitel, teilweise nur sehr kurze Absätze, die wie Scherben wirken. Manchmal spricht Liv die Lesenden sogar direkt an. Die Sätze sind kurz und wirken oft abgehackt. All das passt zu ihrer zerrissenen Persönlichkeit, andererseits lässt sie sich aber völlig in die Opferrolle fallen, bricht eine Gesprächstherapie nach nur einer Sitzung ab. Will sie sich überhaupt helfen lassen?
Es ist hervorzuheben, dass sie auch bei sich nach der Schuld sucht. Zu recht finde ich, denn wenn man sich bei einem Date volllaufen lässt, dann mit dem Mann nach Hause mitgeht und „es“ über sich ergehen lässt und sich fragen muss, ob man < nein > gesagt hat oder nur gedacht hat, dann war man sehr unvorsichtig, zumal etliche one-night stands vorher und nachher waren. Die Autorin hat die Konfliktsituation sehr gut beschrieben, aber ich finde keinen Zugang zu Liv, dieser jungen, modernen Frau. Für mich gilt der Satz:“ Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um.“ Aber scheinbar ist jede zehnte Frau in Norwegen schon vergewaltigt worden, ein abscheuliches Dilekt, welches von der Gesellschaft und der Polizei aber oft mit einem Schulterzucken abgetan wird. Kommt es zu einer Verhandlung, steht Aussage gegen Aussage, so schreibt Furre.
In Italien am „Zufluchtsort“ von Niki de Saint Phalle, die ebenfalls vergewaltigt wurde, schaft Liv die befreiende Offenbarung, dass auch sie diese Schicksal erlitten hat.
Ein Ende, das eine Persönlichkeitsbefreiung bedeuten könnte.
Dieses Werk kann ich allen an der Problematik interessierten Frauen empfehlen, allerdings fehlt mir die Sicht des Mannes, der, in betrunkenen Zustand, oftmals gar nicht ahnen kann, das die Regungslosigkeit der Frau keine Zustimmung, sondern Angst ist.