Rezension

Authentische Protagonisten

Young World - Die Clans von New York - Chris Weitz

Young World - Die Clans von New York
von Chris Weitz

Bewertet mit 4.5 Sternen

Cover:
Das Cover zeigt ein altes, teilweise verfallenen New York, umwabert von dunklen bedeutungsschwangeren Wolken. Zwischen den Worten "Young" und "World" befindet sich ein roter Strich als hätte jemand Blut mit dem Finger verschmiert. Mir gefällt das Cover sehr gut. Es hat einen düsteren Endzeit-Charme.

Die Story:
Eine Seuche hat fast die gesamte Menschheit ausgerottet. Nur die Jugendlichen haben aus irgendeinem Grund überlebt, sterben aber mit ca. 18 Jahren, sobald sie das Erwachsenenalter erreichen. In den Städten haben sich Clans aufgetan, zusammengerottete Jugendliche, die mit allen Mitteln ums Überleben kämpfen.
Ich finde die Idee dahinter, nur Jugendliche das Endzeitszenario überleben zu lassen, ganz interessant. Allerdings nicht ganz schlüssig ist mir, wieso die Kinder und Erwachsenen an der Seuche verstorben sind. Spekulationen der Protagonisten vermuten eine Art Hormon, das nur bei Jugendlichen aktiv ist. Kinder haben es noch nicht - Erwachsene verlieren es wieder. Ich hoffe, dass der Autor die Frage noch aufklärt (vermutlich im 2. Band), denn sonst verliert die tolle Idee für mich seinen Reiz.

Die Charaktere:
Das Buch ist aus der Sicht von 2 Charakteren geschrieben: (Ma)Donna und Jeff(erson).
Donna ist eher eine zurückhaltende Person mit einem geringen Selbstbewusstsein. Diese Eigenschaften versucht sie häufig durch ein etwas vorlautes Auftreten zu überspielen. Sie möchte stark wirken. Als Leser durchschaut man sie natürlich ziemlich schnell. Eigentlich ist sie das liebe, nette Mädchen von nebenan und sie muss sich gar nicht für ihre Art schämen.
Jeff wird durch den Tod seines Bruders in eine Anführerrolle des Clans gestoßen, derer er sich nicht würdig und gewachsen fühlt. Er hält sich für zu schwach und gefühlsduselig. Letzteres ist er auf jeden Fall, aber dass er ersteres nicht ist, beweist er dem Leser im Laufe des Buches.
Ich finde es sehr sympathisch, dass Herr Weitz beide Hauptprotagonisten mit "Fehlern" oder Selbstzweifeln versieht. Denn seien wir mal ehrlich, wer ist wirklich zu 100% von sich selbst überzeugt? Dadurch wirken Donna und Jeff viel authentischer.

Der Schreibstil:
Der Autor verwendet Donna und Jeff gleichermaßen als Ich-Erzähler, zwischen denen er im Wechsel hin- und herspringt. Als Überschrift sind die Abschnitte mit dem Namen des aktuellen Erzählers gekennzeichnet und die Schriftart beider ist unterschiedlich, damit man nicht durcheinander kommt. Trotzdem habe ich die beiden ständig verwechselt. Donna und Jeff haben zwar einen leichten Unterschied in ihrer Art zu Denken (Donna ist etwas großschnäuziger), aber im Jugend-Slang geht der Unterschied manchmal verloren und verwischt. Das tut der Qualität der Geschichte zwar keinen Abbruch, störte aber häufig meinen Lesefluss, weil ich mich erst wieder im richtigen Charakter wiederfinden musste.
Die Übergänge zwischen Donna und Jeff sind fließend. Die Handlung, die Donna erlebt, knüpft nahtlos an die von Jeff an und umgekehrt.
Dem Autor muss ich außerdem hoch anrechnen, dass er die Jugendsprache äußerst authentisch herüber bringt. Es haben sich schon einige Autoren daran versucht, sind meiner Meinung nach aber gescheitert.
Die wörtliche Rede wird wie in einem klassischen Drehbuch dargestellt, á la "Ich:...", "Donna:...". Es ist äußerst ungewöhnlich, passt aber, wenn man bedenkt, dass Herr Weitz eigentlich Drehbuchautor ist. Und letztendlich hat mir dieser Stil auch ganz gut gefallen, denn es ist mal etwas anderes und liest sich rasanter.

Ende:
Das Ende wurde nach meiner Ansicht unnatürlich voran getrieben und wirkte viel zu abrupt und unwirklich. Für mich war es ein bisschen wie der berühmte Schlag vor den Kopf. Ich saß da und dachte: "Wie, DAS war es jetzt?". Es soll zwar mindestens noch einen weiteren Band geben, aber der vom Autor konstruierte "Übergang" zum 2. Teil wirkt nicht echt, als hätte jemand anderes den Schluss vorgegeben. Ganz plötzlich kommt eine Wendung daher, die sich in keinster Weise abzeichnete und die einfach nicht ins bisher erzählte Bild passt.

Fazit:
Eine rasante Endzeit-Jugendgeschichte mit authentischen Charakteren und einem außergewöhnlichen Erzählstil, aber einem leider nicht so glaubwürdigen Ende.
4 1/2 von 5 Isis'