Rezension

Den Schrecken im Rücken

Alles, was ich bin - Anna Funder

Alles, was ich bin
von Anna Funder

Bewertet mit 4 Sternen

Inhalt

 

 

 

Das Buch beginnt in Deutschland, der Prolog startet mit der Machtergreifung Hitlers. Doch die eigentliche Geschichte setzt früher an mit Zeitsprüngen in eine nähere Vergangenheit, dem Anfang des 21. Jahrhunderts und in Tollers Fall ins Jahr 1939.

 

Wir folgen zwei Menschen durch ihre Gegenwart und Vergangenheit. Beide sind verbunden durch ihre politische Aktivität und eine gemeinsame Freundin, denen ihr Herz gehörte.

Die Personen sind Ruth Becker und Ernst Toller.

 

Ruth war noch sehr klein, als sie ihre tiefe Verbundenheit zu ihrer Cousine Dora knüpfte. Zuerst verbrachte sie den Sommer bei ihr, weil sie eine schwere Kiefer - OP machen lassen musste, später wurde es zur Gewohnheit jeden Sommer zu ihr zu fahren.

Hier lernte Ruth auch ihren späteren Mann Hans Wesemann kennen, der in einer Zeitung Satiren veröffentlichte.

Ruth war nie die große Revolutionärin, doch Dora war dies uns sie unterstützte Ruth, bei allem, was sie tat. Denn sie bewunderte und liebte ihre Cousine, die eine außergewöhnliche Persönlichkeit war.

Anfangs waren sie Mitglieder der sozialistischen Arbeiterpartei und taten alles um den Geist des Pazifismus zu verbreiten, doch als Hitler an die Macht kam, war ihnen schnell bewusst, dass die fliehen mussten. In Deutschland waren sie nicht mehr sicher.

Die beiden Frauen flohen nach England und führten ihren Kampf im Untergrund. Immer mit der Angst im Nacken, denn immer mehr Flüchtlinge wurden brutal ermordet, eigentlich außerhalb der Reichweite der Nazis.

 

 

Ernst Toller war aktiver als Ruth. Mit seinen Schriften hatte er für große Unruhen unter den Nazis gesorgt, seine Bücher wurden verbrannt.

Er lernte Dora in einem Theater kennen und liebte sie vom ersten Tage an. Doch Dora wollte eine feste Bindung, sie wollte ihre Freiheit und lebte diese voll aus.

Doch die beiden unterstützen sich, inspirierten sich gegenseitig und Dora schaffte es das beste aus Tollers Schriften herauszubringen.

Auch Toller musste fliehen, doch sie blieben in Kontakt, bildeten eine Organisation um etwas gegen die Umstände in Deutschland zu tun. Auch wenn sie dies im Geheimen tun mussten, da jede politische Aktivität sie ihr Visum kosten konnte, waren sie voll Hoffnung und überzeugt von ihrer Sache.

 

 

 

 

Meine Meinung

 

 

 

Wie schon erwähnt, wird die Geschichte in zwei Zeitebenen erzählt. Wir erleben Ruth als alte Frau, die sich an die damalige Zeit erinnert. Und Toller, der nach Amerika emigriert ist, als er sich zu Beginn des Krieges in Europa nicht mehr sicher wähnte.Ruth ist krank und die Vergangenheit bekommt eine immer größere Bedeutung in ihrem Kopf. Toller will wieder schreiben und er will die Menschen an Dora erinnern.

 

Und ich glaube das ist es auch, wovon die Geschichte wirklich handelt, Dora Fabian, die kleine zierliche Frau, die ihr Weltbild lebte und so viel Kraft hatte um nicht nur sich selber immer wieder aufs Neue von ihrer Sache zu überzeugen, sondern viele andere auch. Die ihr Leben für ihren Kampf riskierte.

 

Anders als in anderen Romanen über das dritte Reich wird der Schrecken hier nicht in der Brutalität gesucht, der von den Lagern und anderen grausamen Praktiken herrührt. Der Schrecken ist weniger brutal, aber daher nicht weniger intensiv.

Es geht um die Angst nirgendwo sicher zu sein, egal wohin man flieht, dass man ständig verfolgt und beschattet wird, dass der Tod einen überall erreichen könnte. Desweiteren denkt keiner der revolutionären Gruppe mit den politischen Aktivitäten aufzuhören, man kann schließlich nicht Schweigen im Angesicht der Ungerechtigkeit, doch auch wenn sie das Richtige tun, so müssen sie doch fürchten dafür mit Ausweisung und so dem sicheren Tod, bestraft zu werden

 

Die Atmosphäre im Verlaufe des Buches ändert sich deutlich. Am Anfang bekommen wir Heiterkeit mit, die sich langsam in Unruhe und Furcht ändert um schließlich zu nackter, paranoider Angst umzuschwenken. Anfangs haben sie alles, leben in Saus und Braus, bis sie schließlich immer weniger besitzen, man einigen aus ihrer Gruppe den Hunger förmlich ansehen kann.

 

Die Sprache selber ist durchwachsen, mal einfach und kühl, dann poetisch anhauchend und ab und zu sehr emotional gestaltet. Insgesamt gesehen scheint jedes Wort wohl bedacht zu sein und erzielt seine Wirkung auf den Leser ohne übertrieben oder theatralisch zu wirken.

Der Erzähler ist ein Ich Erzähler aus der jeweiligen Perspektive von Ruth oder Toller. Wir erfahren sehr viel von den Figuren. Eben nicht nur, wie sie die Welt damals erlebt haben, sondern auch ihre Gegenwart. Obwohl bei Toller die Erzählungen von damals seiner jetzigen Situation sehr ähnlich sind.

Ein Unterschied ist, dass Tollers Gegenwart 1939 ist, die von Ruth 2001.

Die gewählte Erzählform ist für einen Roman dieser Art vielleicht ein wenig ungewöhnlich, jedoch meiner Meinung nach sehr gut gewählt, da er eben sie leicht paranoide Art besser widerspiegelt, die eben auf eine ständige Verfolgung zurückzuführen ist.

 

Dies ist ein Roman, der sich jedoch an Tatsachen orientiert und so schafft die Autorin ein Werk, dass den Leser abholt, mit nimmt und nicht wieder loslässt. Wir erleben diese kleine Gruppe aus Menschen. Tief verbunden und doch immer misstrauisch, wie sie ihren Weg gehen wollen, das Richtige tun möchten und immer wieder Steine in den Weg gelegt bekommen.

Besonders Dora macht auf den Leser einen bleibenden Eindruck. Die kleine Frau, die so groß erscheint angesichts ihrer Ziele und Träume. Sie ist frei, klug, intelligent, hübsch und engagiert.

Eine Frau, mit der man sich gerne identifizieren möchte. Da wir jedoch nur von anderen von ihr erfahren, bleibt da eine kleine Distanz, die jedoch nur bewirkt, dass wir uns besser in die Menschen hineinversetzen können, die sie umgeben und uns von ihr berichten.

 

Mir persönlich hat es sehr gut gefallen die Geschichte ein mal aus einer anderen Perspektive zu sehen. Es gibt eben doch die Menschen, die versucht haben Widerstand zu leisten, was oft genug unter den Tisch gekehrt wird. Doch diese Menschen hatten es nie leicht. Und auch wenn unsere beiden Erzähler Glück hatten, so hatten es viele andere nicht, die mit dem Leben für ihren Widerstand zahlten.

 

Das Buch ist nicht gerade leicht zu lesen, ab und zu hat es einige kleine Längen, doch man möchte es nicht zur Seite legen, weil es einen bewegt. Gerade die beschriebenen Beziehungen machen das Buch lebendig.

 

Ich selber habe überlegt mir ein Buch von Toller vorzunehmen, da die Persönlichkeit, die hier beschrieben wird sehr beeindruckend zu sein scheint. Auch wenn das Thema des zweiten Weltkriegs eben schon sehr oft beschrieben wird, interessiert es mich dennoch sehr stark und die Perspektive eines Revolutionärs ist für mich eine Neue.

Einige Namen der auftretenden Personen wurden übrigens für das Buch geändert, einige Ereignisse erdichtet, aber daher ist es ja auch ein Roman.

Die Quellen der Autorin werden am Ende genannt, ebenso wie erdachte Namen oder geänderte.

 

 

 

 

Fazit

 

 

 

Ein bewegendes Buch, das zwar die eine oder andere Länge aufweist, einem jedoch meist mitreißt und tief bewegt, das auf eine kühle Weise Schrecken übermittelt und gleichzeitig tiefe emotionale Bindungen beschreibt.