Rezension

Die Familie geht über alles

Meeresfriedhof -

Meeresfriedhof
von Aslak Nore

Die Handlung spielt in Norwegen, einmal zur Zeit während des Zweiten Weltkriegs, aber auch in der jetzigen Zeit. Ein Hurtigruten-Schiff sowohl mit deutschen Soldaten, aber auch mit Zivilisten an Bord wurde während des Krieges von einer Mine getroffen und versenkt und Hunderte Menschen kamen ums Leben, unter ihnen der Reeder Theo Store Falck. Seine Frau, die junge Schriftstellerin Vera Falck und ihr kleiner Sohn Olav konnten gerettet werden.

 

Die Falcks sind in Norwegen eine bekannte und erfolgreiche Familie, teilen sich aber in einen wohlhabenden Zweig, die Falcks in Oslo und in einen Zweig, der das Leben genießt und es nimmt wie es kommt, die Falcks in Bergen. Den Osloern ist es bisher gelungen, die Bergener von den Geschäften fernzuhalten und sie auch am Erfolg so gut wie nicht teilhaben zu lassen.

 

Die Familie in Oslo besteht aus dem Patriarch Olav, dem Kind, das damals mit der Mutter gerettet werden konnte und seinen Kindern Sasha, Sverre und Andrea. Zu Anfang ist auch Vera noch dabei, sie begeht Selbstmord und um ihr Testament dreht sich die Handlung. Die Osloer versuchen verzweifelt, das Testament ausfindig zu machen. Vera hatte es am Tag ihres Selbstmords vom Notar abgeholt, seitdem ist es verschwunden. Außerdem geht es um das Manuskript eines Buches, das Vera geschrieben und das ihr 1970 vom Staatsschutz abgenommen worden war, während sie selbst für mehrere Jahre in eine geschlossene Anstalt wanderte.

 

Bei der Familie in Bergen spielt Hans Falck, ein Arzt, der viel in Krisengebieten des Nahen Ostens unterwegs war, die Hauptrolle. Er verpflichtet den Journalisten Johnny Omar Berg, seine Biografie zu schreiben. Johnnys und Sashas Wege kreuzen sich bald und sie machen sich gemeinsam auf den Weg, die Wahrheit über Vera herauszufinden.

 

Und so wird Veras Geschichte und ihre Rolle in der Familie immer weiter aufgerollt. Wer war sie wirklich? Und was passierte damals auf dem Schiff? Stimmen die Gerüchte, die von einem ganz anderen Ablauf berichten? Sasha vor allen anderen hat Interesse daran, der Wahrheit auf die Spur zu kommen, koste es was es wolle. Auch gegen den Willen ihres Vaters, der sie stark manipuliert und über seine Stiftung auch auf die Geschicke Norwegens einen großen Einfluss ausübt.

 

Ich hatte in diesem Jahr schon die Bücher von Trude Teige gelesen, die ebenfalls das Schicksal Norwegens oder von Norwegern während des Zweiten Weltkriegs thematisierten. Schon da hatte mich die starke Involviertheit der Norweger in diese Zeit verwundert.

 

In „Meeresfriedhof“ wird klar, dass es nicht nur die Seite der Widerstandskämpfer gab. Norwegen war von den Deutschen besetzt und natürlich gab es auch Kollaboration. Die Reeder transportierten Waffen und Soldaten in alle Teile des Landes und verdienten gut dabei. Nach dem Krieg musste diese Seite aber verschwiegen werden. Da war es schon fast hilfreich, wenn ein Kriegsgewinnler während der Zeit zu Tode gekommen war und seine unschuldigen Nachkommen die Geschäfte erfolgreich weiterführen konnten und auf dem erwirtschafteten Reichtum aufbauten.

 

Es verwundert dann aber doch, wie sich Reichtum, das Geschäft und damit verbunden auch öffentliche Einflussnahme auf das Verhalten von Familien auswirken können.

 

Das Buch wird auf der Innenseite als Thriller angekündigt, das war es für mich nicht. Es war ein spannender Roman mit vielen historischen Hintergründen und auch Einblicken in die Arbeit von Geheimdiensten in der heutigen Zeit.

 

Es endet mit einem Cliffhanger, der für die Fortsetzung noch einiges an Spannung erwarten lässt.